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Quelle: privat
Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Darf ein Mann vergessenen Frauen der Geschichte literarisch seine Stimme leihen? Kann er das überhaupt? Und was lässt er sie sagen? So und ähnlich lauten die Fragen, die sich mit Zaimoglus neuer Prosa "Die Geschichte der Frau" auseinandersetzen. Worte wie "berserkergleich" (positiv) oder "virile Sprache" (negativ) fallen. Gibt es also eine richtige Sprache, in der ein Autor in guter Absicht über Frauen schreiben muss? Oder besteht das Problem darin, dass er "über" Frauen schreibt, wie seit Jahrhunderten gebräuchlich, nur mit dem Unterschied, dass er meint, mittels seiner Stimme würden diese Frauen für sich sprechen? Oder entsteht eine Misston daraus, dass die Ausgewählten, die er vor allem über ihre Männer erzählen lässt, gar nicht so unterrepräsentiert sind, wie behauptet? Dass Valerie Solanas, zum Beispiel, ihre Thesen selbst veröffentlichte, ihr Manifest "S.C.U.M." in der New Yorker Kunstszene verteilte und zur Tat schritt, indem sie den frauenfeindlichen Andy Warhol attackierte?
Doch zurück zum Text. Was liegt vor? Zehn Frauen aus griechischen und deutschen Mythen, aus biblischen Texten, aus Gedichten deutscher Poeten, aus dem westlichen Kulturkreis also, bis zur türkischen Gastarbeiterfrau werden literarisch zum Leben erweckt. Sie sind meist klüger als ihre männlichen Gegenspieler, haben ein "Wissen", über das diese nicht verfügen, sie erkennen "Zeichen". Die Männer hingegen sind Getriebene und verunmöglichen den klugen Frauen, gemäß ihrem Wissen zu handeln, bis sie ausbrechen und gegen Normen verstoßen. Dann werden sie bestraft. Zaimoglu spielt mit dem Doppelsinn von "spinnen", das er den Frauen zuordnet: Verrücktsein und Nachdenken, verborgene Zusammenhänge erkennen, fallen in eins. Interessant sind die Worte, die er für derart abweichende Frauen findet; es sind männlich konnotierte Bezeichnungen, denen ein weibliches Suffix beigefügt wird. So werden Zipporah als Männin, Antigone als Neffin beschimpft, Judith ist eine Jüngerin von Jesu, Brunhild eine kastrierte Kriegerin. Es gibt auch witzige Umkehrungen, so wehrt sich eine Frau gegen die übergriffige Anrede "Feinsliebchen" mit der Entsprechung "Feinskerlchen". Auffällig ist jedoch, dass die männlichen Widersacher der angeblich aufgewerteten Frauenfiguren sehr viel Redezeit erhalten. So monologisiert z. B. der deutsche Dichter der Romantik endlos vor der ihn bedienen müssenden Lore Ley, die später in seine Ballade eingehen wird. Sie denkt sich ihren Teil, unterbricht und widerspricht ihm zuweilen, er kann sich aber trotzdem ziemlich auslassen. Und Widerborstigkeit bewahrt sie letztlich nicht davor, als von ihm Besungene unsterblich zu werden.
Am besten gelingt es Zaimoglu, die Welt seiner Mutter Leyla, wie schon in einem ihr gewidmetem Roman geschehen, zu schildern. Dieser Text bildet die Urzelle seines Anliegens. Hier findet er das narrative Muster, das er in der Folge an fast alle Stücke anlegt. Leyla verkörpert den Konflikt zwischen den Geschlechterrollen des türkischen Herkunftslandes und des deutschen Ankunftslandes. Es ist eine Beschreibung des Übergangs. Auch die Differenz zwischen ihrer inneren Sprache, die ausgesprochen erlesen ist und der beschränkten neuen Sprache, mit der sie sich im veränderten Lebensumfeld verständigen muss, ist spannend.
So können fast alle anderen Erzählungen dieses Bandes als Auseinandersetzungen zwischen dem Eigenen und dem Fremden gelesen werden, Zipporah, die als höchste Frau eines eroberten Volkes dem Führer der Eroberer übergeben wird; Brunhild, die als Fremde in die Familie kommt; die als Hexe verurteilte Prista, die einer Kaste von Außenseitern entstammt, usf. Allen leiht der Autor eine Sprache, die unverkennbar seine eigene ist, angereichert durch alt- und neutestamentarischen Duktus, durch lutherische Töne, durch Neologismen, den Furor der traumatisierten Feministin Solanas. In der Wahl der Sprache steckt dann tatsächlich ein Problem: Auch wenn Zaimoglu beabsichtigt, den verschwiegenen Frauen die Chance zu geben, ihren Teil der Geschichte zu erzählen, so stammt doch sein Wissen über sie aus Berichten, in denen sie die Erzählten sind. Bestenfalls. Wie aber kann man sie zu Subjekten erheben, wenn man auf männliche Überlieferung angewiesen ist? Guter Wille und Einfühlung allein reichen da möglicherweise nicht. Grundsätzlich ist es in Ordnung, wenn Zaimoglu sich in eine Trümmerfrau verwandeln will. Schade ist nur, wenn er sich der Voraussetzungen seines Tuns nicht bewusst ist, weil er allein auf Sprachmacht vertraut. Vor der Sprache nämlich steht die Wahrnehmung, welche sich aufgrund von Sozialisation und gesellschaftlicher Normen geschlechterspezifisch unterscheidet. So lernen die Leser während der Lektüre vor allem einen Mann kennen, der sich Frauen vorstellt und diese Einfühlungen sodann in Ich-Form präsentiert. Das sind aber noch nicht die weiblichen Stimmen, nach denen er strebt. Daraus entstehen bloß "Männinnen" und das ist genauso aberwitzig wie es klingt. Damit diese Wesen zu Frauen werden, bräuchte es ein paar Schritte mehr.
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“So lernen die Leser während der Lektüre vor allem einen Mann kennen, der sich Frauen vorstellt und diese Einfühlungen sodann in Ich-Form präsentiert.”
Nun ja, ist das nicht das Prinzip der ganzen Literatur? Man lernt eine Person kennen, die sich andere Personen vorstellt und diese Einfühlungen sodann in Ich-Form präsentiert.
Der umstand, dass Zaimoglu ein Mann ist, hindert ihn nicht daran aus der Sicht von/über Frauen zu schreiben. Einen Mangel darin zu sehen, verstehe ich , erscheint mir jedoch nicht der Diskussion wert,weil ein Mann eben nicht aus der Sicht einer Frau schreiben kann, und klar sein sollte, dass es eben keine Autobiografie sein kann. Einfühlung kann schon sehr weit reichen, und der Kritikpunkt der Redezeit: ich kann nur raten , mir jedoch gut vorstellen , dass Frauen damals (so wie heute in manchen kreisen immer noch) kaum zu Wort gelassen wurden
Worin zeigte sich die Frauenfeindlichkeit von Andy Warhol?
Sicher belegt ist die Männerfeindlichkeit der unsäglichen Attentäterin, die Warhol schwer verletzte und sein Leben verkürzte:
Sie war Gründerin und einziges Mitglied einer radikalfeministischen Gruppe namens S.C.U.M. - was Abschaum heißt und gleichzeitig die Abkürzung für "Society for cutting up men" war - "Gesellschaft für das Schlachten von Männern".
Sie hatte ein "S.C.U.M.-Manifesto" verfasst. Darin hieß es: "Heute ist es technisch möglich, sich ohne die Hilfe der Männer [...] zu reproduzieren und ausschließlich Frauen zu produzieren. Wir müssen sofort damit beginnen. Der Mann ist eine biologische Katastrophe: Das männliche y-Gen ist ein unvollständiges weibliches x-Gen, das heißt, es hat eine unvollständige Chromosomstruktur. Mit anderen Worten, der Mann ist eine unvollständige Frau, eine wandelnde Fehlgeburt, die schon im Genstadium verkümmert ist. Mann sein heißt, kaputt sein; Männlichkeit ist eine Mangelkrankheit, und Männer sind seelische Krüppel."
http://www.spiegel.de/...
Nach dreifachem versuchten Mord rechtskräftig verurteilt, kam sie in eine Anstalt für geisteskranke Kriminelle.