Kanäle
Jetzt personalisiertes
Audiomagazin abonnieren
Log-in registrieren
forum verwendet Cookies und andere Analysewerkzeuge um den Dienst bereitzustellen und um dein Website-Erlebnis zu verbessern.

handverlesenswert

Kluge Köpfe filtern für dich relevante Beiträge aus dem Netz.
Entdecke handverlesene Artikel, Videos und Audios zu deinen Themen.

Du befindest dich im Kanal:

Fundstücke

Azaz: Unterwegs in einer syrischen Stadt unter türkischer Kontrolle

Lars Hauch
Researcher. Schwerpunkte: Mittlerer Osten, insbesondere Syrien.
Zum Kurator'innen-Profil
Lars HauchMittwoch, 03.11.2021

Christoph Ehrhardt war im Norden Syriens unterwegs. Genauer gesagt im Norden der Provinz Aleppo, der von der Türkei kontrolliert wird. In dieser Reportage beschreibt er nuanciert die vielen Eindrücke und Widersprüchlichkeiten, die so ein Konfliktgebiet ausmachen. Der Titel der Printversion in der FAZ lautet treffend: „Land der Lager, Bettler und Bosse“.

Mit einem dieser Bosse ist Ehrhardt unterwegs. Mahmud Alito begleitet ihn durch Azaz, eine einst kleine Stadt nahe der türkischen Grenze. Azaz hat im Verlauf des Krieges einiges mitgemacht. Erst übernahmen Rebellen die Kontrolle, dann der IS. Ende 2016 vertrieb dann die türkische Armee gemeinsam mit verbündeten Rebellen die Dschihadisten. Seither steht die Region unter türkischer Kontrolle. Die Provinz ist administrativ an die angrenzenden türkischen Provinzen angegliedert. Die Türkei bezahlt für Bildung, Polizei, Justiz und derlei mehr. Auch die Syrische Nationalarmee (SNA) wird von der Türkei finanziert. Die SNA ist so was wie die Dachorganisation der Rebellen vor Ort. Schätzungsweise 30.000 Kämpfer stehen unter ihrem Kommando. Vielleicht auch 45.000. Das weiß niemand so genau.

Zwar läuft in der Region letztlich nichts ohne türkisches Einverständnis, dennoch sind auch Syrer aktive Akteure. Die Türkei arbeitet mit lokalen Räten zusammen, die sich um alltägliche Angelegenheiten kümmern. Auch in Azaz, wo Ehrhardt mit Mahmud Alito unterwegs ist. Alito ist ein hochrangiges Mitglied der „Levante-Front“. Die Levante-Front ist die wohl mächtigste Rebellengruppe innerhalb der SNA. Und sie dominiert Azaz. Die Levante-Front ist selbst ein wirtschaftlicher und politischer Akteur. Sie kontrolliert Grenzübergänge und hat ihre Finger in allen möglichen Wirtschaftszweigen, in denen sich Geld verdienen lässt. Kein Wunder, dass Alitos Spitzname „Boss“ lautet.

Alito zeigt Ehrhardt die Sonnenseiten von Azaz. Überall wird gebaut, die Stadt ist in den letzten Jahren rasant gewachsen. Mehrstöckige Neubauten und Malls schießen aus dem Boden. Wegen des türkischen Schutzschirms sind Azaz und die Region relativ sicher. Keine Luftangriffe durch die Assad-Regierung, keine Fassbomben, kein Artilleriefeuer. Deshalb investieren wohlhabende Syrer. Die Grundstückspreise und Mieten steigen entsprechend schnell an.

Es werde schnell deutlich, „dass in Azaz nicht nur die Aufbruchsstimmung einer Goldgräberstadt im Wilden Westen herrscht, sondern auch deren Gnadenlosigkeit mit den Gescheiterten“, beobachtet Ehrhardt treffend. In Azaz gibt es nicht viele Regeln. Und wer Geld hat, wer gute Kontakte zur Levante-Front hat, kann viele der existierenden Regeln beugen. Wer hingegen kein Geld hat, sieht alt aus. Und das trifft auf die Mehrheit der Menschen zu. Über 80 % der Menschen in der Region leben unterhalb der Armutsgrenze. Überall sieht man Zelte. Ehrhardt spricht mit einem Anwalt, der in einem dieser Zelte lebt. Er könne zum ersten Mal in seinem Leben seinen Beruf ausüben, weil die Türkei das Gerichtswesen professionalisiert habe. Für eine Wohnung reicht das Geld trotzdem nicht.

Azaz und die Region stehen für Widersprüche. Deutschland und die EU lehnen Unterstützung weitestgehend ab. Man betrachtet die türkische Präsenz als Völkerrechtsbruch, als Okkupation. Ein schwaches Argument, wenn man bedenkt, wo Deutschland und die EU überall keine Probleme mit Kooperation trotz eklatanter Völkerrechtsbrüche haben. 

Und dennoch: Als die türkische Armee mit den Rebellen die Region übernahm, vertrieb sie auch kurdische ZivilistInnen und verübt bis heute Menschenrechtsverbrechen an den Zurückgebliebenen. Gleichzeitig schützt die Türkei mehrere Millionen Syrer innerhalb ihres Landes vor der Gewalt der Assad-Regierung, baut Krankenhäuser, ermöglicht Bildung. Dass die Europäer sich beschweren, nachdem sie eifrig das Flüchtlingsabkommen unterzeichnet haben und für türkische Grenzanlagen bezahlten, wirkt heuchlerisch. 

Was dort entlang der syrisch-türkischen Grenze entsteht, ist ungewiss. Eine dauerhafte Pufferzone unter türkischer Kontrolle? Womöglich. Aushandeln wird das die Türkei vornehmlich mit Russland. 

Azaz: Unterwegs in einer syrischen Stadt unter türkischer Kontrolle
KOSTENPFLICHTIGKOSTENPFLICHTIG

Möchtest du kommentieren? Dann werde jetzt kostenlos Mitglied!

Bleib immer informiert! Hier gibt's den Kanal Fundstücke als Newsletter.

Abonnieren

Deine Hörempfehlungen
direkt aufs Handy!

Einfach die Hörempfehlungen unserer Kurator'innen als Feed in deinem Podcatcher abonnieren. Fertig ist das Ohrenglück!

Öffne deinen Podcast Feed in AntennaPod:

Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.

Öffne deinen Podcast Feed in Apple Podcasts:

Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.

Öffne deinen Podcast Feed in Downcast:

Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.

Öffne deinen Podcast Feed in Instacast:

Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.

Öffne deinen Podcast Feed in Apple Podcasts:

Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.

Öffne deinen Podcast Feed in Podgrasp:

Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.

Bitte kopiere die URL und füge sie in deine
Podcast- oder RSS-APP ein.

Wenn du fertig bist,
kannst du das Fenster schließen.

Link wurde in die Zwischenablage kopiert.

Öffne deinen Podcast Feed in gpodder.net:

Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.

Öffne deinen Podcast Feed in Pocket Casts:

Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.