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Spätestens seit der Aufdeckung des "Lava Jato"- Korruptionsskandals im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den Odebrecht-Konzern in Brasilien wurde weltöffentlich deutlich, welch zentrale Bedeutung organisierte Bestechung und systematischer Nepotismus für die Funktionsweise politischer Entscheidungsfindung inne haben, bzw. haben können.
Ein weiteres Beispiel für die institutionalisierte Symbiose politischer und wirtschaftlicher Netzwerke offenbart sich derzeit auf dem indischen Subkontinent: über Jahrzehnte installierte politische Seilschaften, in lokalen Administrationen wie auch in höchsten politischen Ämtern, stellen dort mittlerweile ein unüberwindliches Hindernis für die soziale und wirtschaftliche Weiterentwicklung Indiens, sprich mehr sozialer Sicherheit und wirtschaftlicher Prosperität, dar. Indiens Eliten scheinen parteiübergreifend an extralegalen Entlohnungsmodellen partizipiert und unvorstellbare Summen veruntreut zu haben. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Inkorporation von "Hawala"-Transaktionsnetzwerken, deren Bedeutung für internationale Schwarzgeldströme immer weiter zuzunehmen scheint.
Eigentlich aber lohnt dieser Artikel als Initialisierung für einen Blick über den konkreten Erkenntnishorizont hinaus: das Korruption ein grundsätzliches Übel und Entwicklungshemmnis darstellt, ist nicht neu. Ob es sich dabei nun um derart drastische Kolaborationsmuster handelt, oder um salonfähigeren Lobbyismus - in jedem Fall ist die Kontaktbereitschaft zwischen Politik und Wirtschaft offensichtlich eine anthropologische Konstante.
Ebenso wenig neu ist dabei auch die Erkenntnis, dass diese Kontaktstrukturen von ganz wesentlicher Bedeutung für politische Prozesse - und damit gesellschaftliche Organisationsformen - sind.
Politisches Handeln oder Machtausübung im Allgemeinen geschah und geschieht immer schon im Kontext gesellschaftlicher Realitäten, sprich: auch in konkreter Kooperation von politischen und wirtschaftlichen Netzwerken. Das Beisammensitzen von "Entscheidern" funktional ausdifferenzierter gesellschaftlicher Subsysteme stellt nachgerade einen integralen und notwendigen Bestandteil sozialer Systeme dar. Notwendig allerdings nur solange, wie der Nutzen für das Allgemeinwohl die Kosten dieser Kollaborationssysteme übersteigt. Versagen jedoch die immanenten und externen Kontrollinstanzen und beginnt das institutionalisierte Beziehungsgeflecht expansiv zu wuchern, dominieren die destruktiven über die konstruktiven Potentiale dieser Zusammenarbeit.
Entscheidend sind somit die "checks and balances", also die möglichst unabhängig voneinander operierenden, staatlichen und zivilen Kontroll- und Exekutivinstanzen eines Gesellschaftssystems. Doch genau diese demokratisch initiierte Diversität pluralistisch und autonom konfigurierter Institutionen wird zunehmend nicht nur ignoriert, sondern diskreditiert und bekämpft.
Der geschilderte Aspekt erscheint mir daher aktuell aus zweierlei Gründen wichtig zu erwähnen:
Zum Einen stellt diese Betrachtung dem gegenwärtig stark zirkulierenden Narrativ des Alleinherrschers ein wichtiges Korrektiv entgegen: weder ein Erdogan, noch ein Putin und nicht mal ein Kim-Yong Un agiert als absoluter, alleinverantwortlicher Entscheidungsträger, wiewohl dies auch weder eine Alexander der Große oder ein Ludwig XIV je taten. Alle politischen Herrscher waren und sind zu jeder Zeit immer auch abhängig von, eingebunden in und angewiesen auf unterschiedlich komplex strukturierte Beziehungsgeflechte aus Eliten und Interessensverbänden; mithin einem Klientelismus also, dem sie selbst entsprungen sind, Ihren Aufstieg verdanken und dessen Unterstützung sie zur Umsetzung und Ausführung Ihrer Machtstrategien essentiell bedürfen.
Und diese Einsicht führt partiell zur Widerlegung einer generelleren, abstrakten Denkfigur, welche dieser Tage wieder zunehmend populärer wird: der der intersubjektiv wirmächtigen Kontroll- und Manipuationsfähigkeit singulärer Akteure. Einer Denkfigur, die sich in unreflektierter, unsachlicher Scheinanalyse gesellschaftlicher Prozesse und kultureller Dynamiken ergeht, die also im eigentlichen Sinn Polemik und demagogischer Diskursbeitrag ist. Also eben jener Denkfigur, die u.a. aufgrund internalisierter Deutungsmuster, wie dem oben beschriebenen, zunehmend an Anschlussfähigkeit gewinnt und welche die Unterkomplexität und Überdeterminiertheit aktueller öffentlicher Diskursformationen gleichermaßen mitbedingt, wie sie durch diese Ihrerseits rekursiv bedingt ist.
Quelle: Cleo Paskal Bild: AP Photo/ Manish ... EN thediplomat.com
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