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Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Was für ein täuschendes Wort! Denn mitnichten handelt Kolonialismus wie eine Mutter, welche Länder hervorbringt und dann für sie sorgt, sondern Kolonien entstehen im Gegenteil durch gewalttätige Übernahmen von Gebieten, um sich deren verwertbare Substanz einzuverleiben.
In Dulce Maria Cardosos Roman Die Rückkehr, 2011 erstmals im Original erschienen, nun für den Portugal-Schwerpunkt der Leipziger Buchmesse 2021 ins Deutsche übersetzt, nimmt der verfälschende Begriff eine wichtige Stellung ein. Allmählich beginnt das Land am Rande Europas sich mit seiner jahrhundertelangen Periode des Kolonialismus auseinanderzusetzen und die Mythen einer gewaltfreien, nahezu brüderlichen Herrschaft zu zerlegen. Dass die Nelkenrevolution 1974 eine über vierzigjährige Diktatur zu Fall gebracht hatte, ist hierzulande eher bekannt als die Tatsache, dass Portugal bis dahin sein Kolonialreich in Afrika und Asien aufrechterhalten hatte. Der Traum vom Imperium hatte Kriege und Regierungen überlebt, denn die Ausbeutung der Kolonien machte eine kleine Schicht von Portugiesen reich, darunter auch den einflussreichen Klerus. Bis zum Schluss bedeutete eine koloniale Existenz die Möglichkeit für verarmte Portugiesen sich unter privilegierten Bedingungen eine bessere Lebensgrundlage zu schaffen. Autorin Cardoso lebte bis zu ihrem 11. Lebensjahr in Angola, bis sie mit der Familie das Land verlassen musste, genauso wie Rui, die Hauptperson ihres Romans. Der pubertierende Junge wächst in Angola auf, das schon lang um seine Unabhängigkeit kämpft. Als sich das portugiesische Militär dem Widerstand gegen die Diktatur anschließt, gibt Portugal infolge der Revolution die Kolonien auf. Die weißen Portugiesen müssen ins Mutterland, welches die jüngere Generation nur aus Erzählungen kennt.
Die Verwandtschaft im Mutterland wurde uns von Mutter wie ein Schulfach oder wie der Katechismus beigebracht.
Die sogenannten retornados sind in Portugal weder erwünscht, noch findet man Verwendung und Platz für sie. Niemand will von ihnen wissen, denn sie erinnern an das gescheiterte koloniale Abenteuer. Kurzerhand werden sie in leerstehenden Hotels untergebracht, da sich wegen der Revolution ohnehin nicht viele Touristen ins Land trauen. Der Vater des Jungen wurde kurz vor der Flucht verhaftet, Rui ist nun verantwortlich für die nervenschwache Mutter und die Schwester. Sie finden sich nicht zurecht:
Es war eigenartig, das Mutterland zu betreten, als würden wir in die Karte eintreten, die im Klassenzimmer gehangen hatte.
Alles kommt ihnen klein und schäbig vor, nicht großartig, wie es immer geheißen hatte.
Portugal ist kein kleines Land, es ist ein Imperium, das vom Minho bis Timor reicht.
Diejenigen, die noch etwas von ihrem Besitz retten konnten, haben nun wegen der Ungewissheit keinen Ort, wo sie den Inhalt ihrer Transportkisten, die sich am Hafen stapeln, lagern können. Bislang hatten sie besser gelebt als im heruntergewirtschafteten Portugal, indem sie von den ungleichen Herrschaftsverhältnissen in den Kolonien profitierten. Als das Imperium zerfällt, zerbrechen auch diese Lebensentwürfe. Außerdem gelten sie im Mutterland als Verräter, weil sie die Revolution nicht begrüßen.
Cardoso zeichnet in Die Rückkehr eine stark männlich bestimmte Perspektive: Der Vater, von dem alles abhängt; die passive Mutter; die Schwester, die sich rettet, indem sie sich mit einem einheimischen Portugiesen verlobt, der so tut als wüsste er über Angola besser Bescheid, obwohl er nie dort war; der Junge, der sich mit seinen früheren Schulfreunden herumtreibt, mit männlichen Rückkehrern zusammentut, ihr Gerede, ihre reaktionären politischen Ansichten, ihren sexistischen Blick auf Frauen nachzuahmen versucht. Aus den vielen Anmerkungen des Übersetzers Steven Uhly lernt man abwertende Bezeichnungen der Kolonialisten kennen, die Angolaner sind die pretos, die Portugiesen im Mutterland die tugas, z. B. Die Rückkehrer leiden unter ihrer Heimatlosigkeit, ziehen sich zurück in Wünsche, Erinnerungen, Träume, wie etwa eine Auswanderung nach Brasilien oder in die USA. Manchmal hilft auch ein Refrain, um sich einzureden, dass alles gut sei:
Ein Zimmer kann ein Zuhause sein, und dieses Zimmer und dieser Balkon, von dem aus man das Meer sieht, ist unser Zuhause.
Dann endet der Roman doch versöhnlich. Obwohl Cardoso die politischen Verhältnisse nur als Echo der Lebensbedingungen und Reflexionen ihrer Figuren anklingen lässt, ist viel über die traumatische Vergangenheit Portugals zu erfahren. Schade, dass es nicht noch mehr Übersetzungen portugiesischer Autorinnen ins Deutsche gibt.
Dulce Maria Cardoso: Die Rückkehr. Übersetzt von Steven Uhly. Secession Berlin 2021
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