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Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Was muss das für ein Buch sein, das in Südkorea Millionenauflagen erzielte, öffentliche Debatten hervorrief, das verfilmt und in mehrere Sprachen übersetzt wurde? Cho Nam-Joos Generationenporträt „Kim Jiyoung, geboren 1982“ thematisiert Misogynie und Sexismus, indem sie Jiyoungs fiktionale Biographie von ihrer Geburt bis zum Dasein als unglückliche Hausfrau protokolliert. Diese ungeschönten Beschreibungen einer weiblichen Existenz als Mensch zweiter Klasse, unterfüttert sie mit soziologischen Daten, welche beweisen, dass diese Darstellung keineswegs übertrieben ist, wie z.B.
„Im Jahr 2014, dem Jahr als Jiyoung ihre Arbeit aufgab, kündigte jede fünfte verheiratete Südkoreanerin ihren Job wegen Heirat, Schwangerschaft oder Kinderbetreuung beziehungsweise Kindererziehung.“
Im Vergleich mit anderen, hochentwickelten Industrienationen befindet sich Südkorea in Sachen Gleichberechtigung im unteren Bereich, wie der jährliche Global Gender Gap Report zeigt. Care-Arbeit bleibt unbedankt, weibliche Selbstbestimmung ist in diesem System nahezu unmöglich. Dass in Rezensionen deutschsprachiger Medien zum Roman bislang rasch eine Parallelisierung südkoreanischer und deutscher Verhältnisse erfolgte, scheint aber übertrieben. Sicherlich gibt es auch hierzulande viel aufzuholen, doch so desaströs wie in Südkorea, und übrigens auch in Japan, ist die Lage der Frauen in Europa sicherlich nicht.
Wie diese systematische Erniedrigung abläuft, legt Cho Nam-Joo Schritt für Schritt offen. Von Geburt an werden weibliche Nachkommen geringer geschätzt als männliche, was zur vermehrten Abtreibung weiblicher Föten führt. Jiyoungs Mutter entschuldigt sich bei ihrer Schwiegermutter, weil ihre ersten beiden Kinder Mädchen sind. Als beim dritten Mal wieder eine Tochter droht, treibt sie ab. In der Kindheit erhalten die Söhne der Familie stets das bessere Essen, die großzügigere Ausstattung, das geräumigere Zimmer und so fort. Immer und überall wird ihnen der Vortritt gelassen. In der Schule werden die Mädchen malträtiert, auf dem Schulweg gestalkt, in der U-Bahn begrabscht und sobald sie sich beschweren, wird ihnen die Schuld dafür gegeben. Sie hätten das Verhalten der Übeltäter provoziert. Wie schon in Han Kangs Roman „Die Vegetarierin“ ist auch hier das Essen ein Indikator gesellschaftlicher Verhältnisse. Jiyoung ist eine langsame Esserin, so wird der Zeitdruck in der Schulkantine zum Problem, denn Reste dürfen keine bleiben. Da die Jungs ihre Portionen früher erhalten, bleibt den Mädchen weniger Zeit. Sie schlingen also, bekommen davon Magenschmerzen. An der Uni wiederum sind sie mit Jobs und Studium so überfordert, dass sie alle an Gewicht verlieren. Stilistisch reicht dieser Roman jedoch nicht an Han Kang heran. Die literarischen Mittel, die Cho Nam-Joo für ihre Schilderung einsetzt, sind bescheiden. Eher handelt es sich um eine Reportage rund um die fiktive Jiyoung. Der Erfolg des Buches liegt darin, dass ein typisch südkoreanisches Frauenleben mit allen Enttäuschungen, welche ein streng patriarchales System bereithält, nüchtern und in allen Details nacherzählt wird. Denn auch wenn es Frauen gelingt, mit guten Noten ein Studium abzuschließen, hört der Sexismus nicht auf, werden sie bei der Jobsuche und später im Job nie gleichbehandelt:
„Hatte eine Frau Schwächen, kam sie deshalb nicht infrage. War sie brillant, galt sie als Unruhestifterin. Und was sagte man ihr, wenn sie mittelmäßig war? Tut uns leid, Sie sind zu durchschnittlich?“
Heutige Vorstellungen einer gleichberechtigten Existenz stehen überkommenen Idealen einer Nation entgegen, die einerseits durch Okkupation, Krieg und Krise traumatisiert ist, sich andererseits innerhalb von wenigen Jahrzehnten von einer Agrargesellschaft zur Industrienation entwickelt hat. Traditionen und Bräuche sind althergebracht, die Lebenspraxis verlangte aber nach fortschrittlicheren Formen. In diesem Zwiespalt, den sie alleine nie überbrücken können, werden die Frauen aufgerieben. Einen „Ausweg“ bietet entweder die Flucht in psychische Störungen oder Selbstmord. So ist 2020 seit der Covid19-Krise die Suizid-Rate von jungen Frauen um rund 40 % angestiegen. Auch Cho Nam-Joos Darstellung, die aus ihren eigenen Erfahrungen hervorging, bietet keine Lösung. Sie legt aber ein Muster offen, dem dringend abgeholfen werden sollte: Gut ausgebildete, intelligente Frauen, die ihren Job aufgeben, sobald sie Mutter werden. Ändern wird sich das erst, sobald auch die Männer diesen Missstand zu spüren beginnen. In diesem Roman ist es noch lange nicht so weit. Im Gegenteil.
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Man denkt immer sowas kann es doch heute nicht mehr geben - in einem modernen "westlichem" ähem Land.
Die Jungen bekommen vor den Mädchen das Essen? und mehr? Auch in der Schule? sicher, Südkorea hat in wenigen Jahren etwas erreicht was in Europa min. ein Jahrhundert zeit hatte. Und auch viele Verwerfungen bewirkte und bewirkt. und dennoch.