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Quelle: privat
Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Heutige Diskussionen um Geflüchtete verhaken sich im Aktuellen, lassen keinen Raum für Gedankengänge in die Weite der Geschichte. Dabei werden Gesellschaften immer schon durch Migrationsbewegungen mitgeprägt, wie der Historiker Philipp Theis in der Studie „Die Außenseiter“ zeigt. Aufgebauschte Reden und Gegenreden verunmöglichen es, das Phänomen des Geflüchteten als Seinsform wahrzunehmen, sowie die ihnen eigenen Gefühlslagen und Denknotwendigkeiten zu erforschen. Ein derartiges Compendium zu Flucht und Exil liefert nun der schmale Band von Ilija Trojanow. Der weltläufige Autor, u.a. war er als Kind mit seinen Eltern aus dem kommunistischen Bulgarien geflohen, philosophiert in „Nach der Flucht“ mittels kurzer Sentenzen zu Begriffen, wie Heimat, Fremde, Exil, beschreibt Phasen des Ankommens und Momente der Verzweiflung, wie etwa die starke Verbundenheit mit dem Ort, den man verlassen musste. Dazu kommen Szenen in Dialogform, Dramolette, Fremdzitate und die Reflexionen des Autors. Viele sind hervorragend, fast alle lehrreich.
Denn keineswegs ist alles geregelt, sobald man physisch angekommen und der Aufenthaltsstatus legal ist. Nun erst realisiert der Geflüchtete, dass er vor allem viel verloren und noch nichts gewonnen hat. Im neuen Land ist er nichts mehr, wo er doch weggegangen war, um endlich das zu werden, was er geglaubt hatte, zu sein. Trojanow thematisiert die mühselige Arbeit des Erkennens fremder Muster, das Erlernen von Regeln, die Anstrengung, die es erfordert, sich anzupassen. Der geflüchtete Mensch muss sich seine Anwesenheit nicht nur mit Dokumenten und Sprache, sondern auch mit seinem Verhalten und den Reaktionen darauf erkämpfen. Im Ankunftsland haben sich zudem die Machtverhältnisse innerhalb der geflüchteten Familie geändert, das patriarchale Gefüge funktioniert in der Fremde nicht mehr. Der Vater wird entmachtet, die Kinder haben jetzt die Kontrolle, weil sie die neue Sprache rasch besser sprechen. Als Reaktion zieht sich der Vater auf extremere Positionen zurück, um seine Autorität scheinbar zu stärken.
Doch auch die sprachlich Versierten müssen gegen ihre Ausgrenzung von Seiten der Einheimischen kämpfen, wie Trojanow anhand von gängigen Redensarten zeigt:
„Geh zurück, wohin du hergekommen bist!" Würde der Geflüchtete diesen Satz ernst nehmen, müsste er in die Vergangenheit reisen. Das Land seiner Herkunft ist ihm inzwischen eine Terra Incognita.“
Denn reist der Geflüchtete nach einiger Zeit im Exil wieder in das Land, aus dem er einst geflohen war, kommt er dort nicht mehr an. Das Gebiet, nach dem er sich gesehnt hat, gibt es so nicht mehr und er selbst wird von den Gebliebenen nicht mehr als zugehörig betrachtet; auch seine Sprachfähigkeit ist inzwischen reduziert.
Trojanow moniert die Ungenauigkeit des Denkens und der Sprache, mit der Einheimische über Geflüchtete reden. Die Sprache des Inländers gründet in der Sesshaftigkeit und kann daher die Existenzweise des Geflüchteten nicht erfassen. Deshalb erkundet der Autor eine Sprache, die jener anderen Seinsform gerecht werden könnte, eine Sprache, welche die Exilierten miteinschließen könnte. Darin sollten die Spuren ihrer Anwesenheit deutlich werden. Zum einen findet Trojanow in poetischen Beschreibungen eine Exaktheit, die fasziniert, wie z. B. seine Beschreibung des Akzents, der ihm als „Handschrift der Zunge“ erscheint, da in ihm das Andere im Gleichen nachschwinge, zum anderen setzt er Neologismen, wie Fremdkommen, Heimaten, Dankschulden. Auch die Narrative über Geflüchtete sieht er in einem Dilemma, da die Erzählung der Flucht meist aus dem Blickwinkel des Stillstands geschrieben wird. Flucht könne allein aus der Bewegung heraus begriffen werden. Zum Schluss sei noch ein Aphorismus zitiert, der allen rechtsnationalen Parteien entgegnet werden sollte:
„Der Versuch, eine allgemeingültige Heimat zu bestimmen, ist die Fortsetzung von Gewalt.“
Ilija Trojanow: Nach der Flucht. Hanser-Verlag 2017
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