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Ich mag Gedankenexperimente, die sich mit unserer Art zu leben beschäftigen. Mit Arbeit, Geldverdienen, Konsum, Beziehungen et cetera.
Die Grünen in Wien hatten mal überlegt, wie es wohl wäre, wenn die Stadt einfach viele Tausend Fahrräder kaufen und in der Stadt verteilen würde. Jeder könnte sich einfach ein Rad nehmen, zu seinem Ziel fahren und es dort einfach irgendwo abstellen. Man bräuchte keine umständlichen Radstationen, keine Registrierung in Netz, sondern jeder darf jedes Fahrrad einfach nutzen und dann für den nächsten Nutzer stehen lassen. Niemand bräuchte mehr ein Fahrrad zu kaufen.
Die Grünen in Wien setzten dieses Gedankenexperiment in die Realität um. Und was passierte? Es scheiterte grandios. Die Leute gingen schlecht mit den Rädern um oder stellten sie so ab, dass sie kaum noch für andere zu finden waren. Viele Fahrräder verschwanden, und an den Grenzen zu manchen Nachbarländern stoppte die Polizei Lastwagen voller Fahrräder...
Jetzt kann man sagen: Es war klar, dass es so kommen wird! Trotzdem ein schönes Gedankenexperiment. (Ich befürchte, das bedingungslose Grundeinkommen - vom Gedanken her, was es bezwecken soll, eine tolle Idee - würde genauso schiefgehen. Aber das ist ein anderes Thema.)
Der Journalist James MacKinnon hat darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn wir weniger konsumierten. Wir müssten dann auch weniger Geld verdienen, sprich: weniger arbeiten. Wäre das nicht schön? Diese Gedanken sind nicht sonderlich neu, aber MacKinnen hat sie lesenswert in Worte gefasst, in einem Buch und hier in einem Interview.
Er ist dabei durchaus (selbst-)kritisch. Die Interviewerin von "Zeit Online" fragt MacKinnon zum Beispiel, ob nicht die Wirtschaft zusammenbräche, wenn wir zum Beispiel 25 Prozent weniger konsumierten.
MacKinnon: Diesen Einwand höre ich oft. Und damit haben die Kritiker ja auch recht. So eine Entwicklung hätte schwerste Auswirkungen auf die Wirtschaft. Womit wir uns beschäftigen müssen, ist die Frage: Was sagt uns das?
ZEIT ONLINE: Und was sagt es uns?
MacKinnon: Dass wir ein Wirtschaftssystem geschaffen haben, das komplett abhängig ist von ewigem Wachstum. Dass wir in einer Konsumgesellschaft leben, die uns dauerhaft auffordert, Dinge zu kaufen, weil das nötig ist, um Wachstum zu erzeugen. Das macht uns sehr verletzbar – weil wir zwangsläufig weniger konsumieren müssen, um dem Klimawandel, dem Arten- und Waldsterben und der Überfischung entgegenzuwirken. Wenn Menschen jetzt gerade die Entscheidung treffen, radikal weniger einzukaufen, bedrohen sie damit aber die Grundlagen unserer Weltwirtschaft.
Das Thema Konsum ist eines, mit dem wir uns zwangsläufig in den kommenden Jahren und Jahrzehnten befassen werden müssen. MacKinnon zählt die Gründe auf. Wie schwierig das wird, sehen wir allein in diesen Tagen an der hitzigen Diskussion darüber, dass nachhaltig produzierte Lebensmittel zwangsläufig teurer sein werden, wie der neue Landwirtschaftsminister Cem Özdemir festgestellt hat.
Quelle: Julia Beil, Zeit Online Bild: Becca McHaffie/u... Artikel kostenpflichtig www.zeit.de
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