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Pop und Kultur

Geniestreich eines Getriebenen: "California" von Mr. Bungle wird 20

Fabian Peltsch
Musikjournalist

Fabian Peltsch interessiert sich für globale Popkultur-Perspektiven jenseits von World-Music-Klischees. Er ist Redakteur bei Table.Media in der China-Redaktion und schreibt daneben regelmäßig für Rolling Stone, Musikexpress, Mint, Fluter und die Welt.

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Fabian PeltschSonntag, 30.06.2019

Im Juli 1999 erschien "California" von Mr. Bungle, m. E. eines der genialsten Alben der jüngeren Musikgeschichte, das in seiner Narrenfreiheit bis heute ziemlich alleine dasteht. Wie sehr Mike Patton die Musik seiner Hauptband Faith No More damals gelangweilt haben muss, erkennt man am schwindelerregenden Ideenüberschuss, den er hier ein Jahr nach deren Ende mit seinem Nebenprojekt entfesselte. Von Swing, Klezmer, Surf Rock, Spieluhr-Horrorscore und Death-Metal kommt hier zusammen, was sich eigentlich wie Teufel und Weihwasser abstoßen müsste. Es lag wohl am neuen Major-Vertrag mit Warner, dass dieser Wahnsinn nicht wie auf den beiden Vorgängern in B-Movie-Quatsch und übersteuerte Noise-Attacken ausfranste, sondern glatt ausproduziert eine surreale Pop-Qualität entfaltete. 

Gleich der Auftakt „Sweet Charity“ klingt mit Hawaii-Ukulele und Zombie-Doo-Wop-Chor wie der Soundtrack einer 50er-Jahre-Komödie, die auf einem atomverseuchten Atoll im Pazifik spielt. Der Speed-Boogie „The Air-Conditioned Nightmare“ fühlt sich an, als würde man von nussknackermäuligen Beach-Boys-Robotern über kalifornische Stände gejagt und "Pink Cigarette" ist so ergreifend kaputt wie das große Finale eines gealterten Hollywood-Crooners, der unter tosendem Applaus darauf wartet, die Bombe unter seinem weißen Smoking zu zünden. Im Vergleich zum nostalgischen, fast zeitgleich erschienenen „Californication“ der damals von Patton verhassten Red Hot Chili Peppers, wirft seine Band hier ein David-Lynch-artiges Kalifornien auf die flackernde Leinwand, in dem sich die Twists und Schockmomente so rasant überschlagen, dass man vor Ehrfurcht nur noch irre lachen möchte.​

Geniestreich eines Getriebenen: "California" von Mr. Bungle wird 20

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Kommentare 7
  1. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor mehr als 5 Jahre

    Ich lese auch die sonntäglichen Retro-Reviews auf Pitchfork immer sehr gerne, aber das hier ist so viel liebevoller. Und dann halt noch zu diesem Album... Von Mike Patton würde ich mir sogar Bewirtungsbelege lesen.

  2. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor mehr als 5 Jahre

    Danke, der Sommer 99 war bei mir ein "Moment out of time" und entsprechend ist dieses Album an mir vorbeigegangen...

    1. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor mehr als 5 Jahre

      Wie sagt man so schön? Wer sich an den Sommer '99 erinnern kann, war nicht dabei.

  3. Sonja Wild
    Sonja Wild · vor mehr als 5 Jahre

    Unter allen merkwürdigen Alben ist "California" bis heute mein Liebstes. Vielen Dank für den Piq, die Geschichte des Albums kannte ich nicht und die vielen Querbezüge und Bilder, speziell der Hinweis auf den Einfluss von "Pet Sounds", haben mir nochmal in besonderer Weise die Augen respektive Ohren geöffnet.

    1. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor mehr als 5 Jahre

      Mr. Bungle ist anscheinend die piqer-Konsens-Band. Hätte ich nicht gedacht, passt aber eigentlich ganz wunderbar ins Bild:)

  4. Theresa Bäuerlein
    Theresa Bäuerlein · vor mehr als 5 Jahre · bearbeitet vor mehr als 5 Jahre

    Vielen Dank für die Erinnerung an dieses großartige Album (und wie toll ist eigentlich der Name dieser Website, "Invisible Oranges"?) Das ich jetzt, nach dem Lesen dieses Artikels, noch einmal anders hören werde. Ah, "Pink Cigarette..."!

    1. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor mehr als 5 Jahre

      Mr. Bungle ist anscheinend die piqer-Konsens-Band. Hätte ich nicht gedacht, passt aber eigentlich ganz wunderbar ins Bild:)

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