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Anne Hahn, in Magdeburg geboren, lebt seit 1990 in Berlin. Studium der Kunstgeschichte/Geschichte in Berlin und Florenz. Seit 1999 Porträts, Reportagen und Rezensionen in verschiedenen Medien. Buchveröffentlichungen u.a.: "Satan, kannst du mir nochmal verzeihn - Otze Ehrlich, Schleimkeim und der ganze Rest" (mit Frank Willmann) Ventil Verlag 2008, "Pogo im Bratwurstland: Punk in Thüringen" LzfpB, 2009, „DreiTagebuch“ Roman, „Gegenüber von China“ Roman, beide Ventil Verlag, 2014, "Das Herz des Aals", Roman, Ventil Verlag 2017, "Mitten drin - Fußballfans in Deutschland" BfpB, 2018, "Vereint im Stolz - Fußball, Nation und Identität im postjugoslawischen Raum", BfpB 2021
Beim Training unserer Autorenmannschaft habe ich immer das Gefühl, dass es ein Wettlauf mit der Zeit ist. Wir werden zwar besser, aber noch schneller werden wir älter. Der Schnittpunkt beider Tendenzen wird wahrscheinlich nur eine Woche dauern. Anfangs hatten wir noch Ambitionen. Ich erinnere mich, wie wir ein komplettes Training ohne Ball absolviert haben, weil unser Trainer von Berolina Mitte uns Intellektuellen zeigen wollte, wo der Hammer hängt. Keiner hat aufgemuckt, 20 erwachsene Männer machten Liegestütze und Hopserlauf. Dabei wollen wir nur spielen, unsere Wochen- ja unsere Lebensplanung ist längst auf diesen Trainingstermin ausgerichtet. Wir sind doch nur Autoren geworden, weil es zum Profi nicht gereicht hat.
Diese Selbstironie kann nur einer aufbieten - mein geschätzter piqd-Kollege Jochen Schmidt. In der druckfrischen Anthologie „Alles auf Rot. Der 1. FC Union Berlin“ widmet er sich auf guten zehn Seiten dem Verein an der Alten Försterei, aber eigentlich geht es um etwas ganz anderes. Jochen Schmidt gelingt es, eigene Erlebnisse und Beobachtungen so liebenswürdig zu verallgemeinern, dass ich Tränen lachen musste. Nach zweieinhalbseitigen Reflektionen (er wählte als Kind den BFC, sein Bruder Union; hier ist eine rußige Schrift verschwunden, dort eine mit Kreide gemalte) besucht er endlich ein Spiel des 1. FC Union, beschreibt das Stadion, T-Shirt-Aufschriften, den Anzeigetafelbetreuer, die Atmosphäre, Gesänge, Werbung - kurz bevor er über das Alt-Werden, die Autorennationalmannschaft und den Kirchentag 1987 nachdenkt, schaut er mal aufs Spiel:
Nach dem Anpfiff versuche ich, mir ein Bild vom Geschehen auf dem Rasen zu machen, zum Glück bin ich nicht der Trainer und muss durch meine Körpersprache vermitteln, dass ich einen Plan habe. Man erkennt so wenig, es passiert so viel gleichzeitig. Ich denke, bei den Auswechslungen machen sie es wie die Pausenaufsicht auf dem Schulhof und greifen sich einfach wahllos zwei angeblich Schuldige aus dem Pulk heraus.
Es gibt auch ernste Texte in dem 240 Seiten starken, mit Gedichten und Illustrationen von Marcus Gruber aufgelockerten Band, detaillierte Reportagen und pointierte Spielberichte. Den Herausgebern ist es gelungen, alle Facetten auszuleuchten, die eine Leidenschaft wie diese bieten kann. Da schwärmen, singen und malen alte Union-Hasen, dekonstruieren Philosophen wie Chronisten und staunen die Frischlinge. Ronja von Rönne stellt nach ihrem ersten Stadionbesuch fest: „Ich verstehe seit heute Fußballfans. Ich verstehe, warum Leute ein Spiel ernst nehmen.“ Das ist ebenso charmant wie Christoph Nußbaumeders Satz: „Bei Union kann man Schatten umarmen, den Regen küssen, auf die Sonne pfeifen, aber einen Spieler anfeuern, der sich hängen lässt, das geht nicht.“
„Alles auf Rot“ ist eine Sammlung meist leidenschaftlicher Texte. Fans radikaler Art wie Stefanie Fiebrig formulieren empathisch: „Zurückgeliebt wurde Union auch von Christopher Quiring. Das kann man auf seiner Wade nachlesen, er hat es dorthin tätowieren lassen.“ Andere gehen rund ums Stadion auf Spurensuche, belauschen Flaschensammler, Kneipengänger und Auswärtsfahrer. Die letzte Saison wird analysiert, Spieler, Trainer, Torwart. Wem das zu gegenwärtig geraten ist, der kann sich am Text von Torsten Schulz laben oder mit Michael Wolf auf die Vereins-Historie schauen. Der Chronist Gerald Karpa hat einiges zu relativieren, denn „für viele Fans gilt Union rückblickend als Hort der Opposition gegen Regierung und Staatssicherheit“, schreibt Wolf in seinem Porträt des Chronisten. Doch Karpa will davon nichts wissen:
Natürlich haben wir Fans in den 70er und 80er Jahren, von der Kleidung und vom Aussehen und damit eben auch aus einer Haltung heraus, ein kleines Gegenbekenntnis gegen den Arbeiter- und Bauernstaat abgegeben. Aber die Staatssicherheit hatte ganz andere Probleme als 2000 Hotten, die sich für Widerstandskämpfer hielten, weil sie die Polizei nicht mochten.
Obwohl ich mich selbst gerade diese Woche fußballleidenschaftlich geoutet habe, möchte ich das Union-Buch wärmstens empfehlen und werde morgen ein selbstgebasteltes Plakat mit den Buchpräsentationsdaten ins Schaufenster meines Lädchens hängen.
Alles auf Rot. Der 1. FC Union Berlin, Blumenbar, Erscheinungstermin: 9.11.17,Herausgegeben von: Jan Böttcher & Frank Willmann, Illustrationen: Marcus Gruber
Mit Texten von: Jan Böttcher, Stefanie Fiebrig, Annett Gröschner, Torsten Schulz, Michael Kröchert, Manuela Thieme, Gunnar Leue, Andreas Merkel, Uli Hannemann u.v.a.
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