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Kurator'in für: Volk und Wirtschaft Medien und Gesellschaft Technologie und Gesellschaft Fundstücke
Leitet das Digital-Team im Wirtschaftsressort der Süddeutschen Zeitung, was nicht heißt, dass er nur Nerd-Kram piqt. Studierte in Erlangen und Portland Politikwissenschaft und Amerikanistik, schrieb in Nürnberg, Berlin, New York und München. Interessiert an allem Politischen. Am Absurden sowieso. Süchtig nach Longreads.
Was ist das Internet – und was tut es mit uns? Diese Frage beantwortet das Essay "The I in Internet" (2020) von der klugen Jia Tolentino, deren Gedanken übers digitale Leben ich viel zu lange ignoriert habe. Es ist eine faszinierende persönliche Reflektion darüber, wie sehr das Online-Sein unser Verhalten verändert. Tolentino kommt dabei ohne platte Internetkritik aus. Sie liebt das Internet nämlich eigentlich. Sie verwebt die Frage nach unseren Identitäten und dem Netz mit ihrer persönlichen Netz-Geschichte als Kind der Neunziger Jahre:
At ten, I was clicking around a web ring to check out other Angelfire sites full of animal GIFs and Smash Mouth trivia. At twelve, I was writing five hundred words a day on a public LiveJournal. At fifteen, I was uploading photos of myself in a miniskirt on Myspace. By twenty-five, my job was to write things that would attract, ideally, a hundred thousand strangers per post.
Das macht etwas nostalgisch, aber für Sentimentalitäten ist keine Zeit, denn: Tolentinos Glückswelt von damals ist zur Hölle geworden. Diese Hölle heißt Web 2.0. Tolentino beschreibt sie ebenfalls – als Autorin, als Frau, als Beobachterin von viralem virtue signaling, Gamergate und anderem kollektiven Wahnsinn. Das Problem des aktuellen Netzes ist ihr zufolge, dass wir in einer Art Performance-Falle sitzen, die es in der analogen Welt nicht gab. Wir müssen nonstop eine Rolle spielen, für völlig unterschiedliche Publikumsgruppen.
As more people began to register their existence digitally, a pastime turned into an imperative: you had to register yourself digitally to exist.
Da das Netz aber eben nur Kommunikation ist und nichts sonst – es kann keine Elektroschocks verteilen und einem auch nicht in die Augen schauen, um einen zu beschämen – sitzen wir in der Falle: Wir müssen kommunizieren, aber im Gegensatz zur Kommunikation im realen Raum kriegen wir dafür: nichts (außer Likes und Flames).
In real life, you can walk around living life and be visible to other people. But you can’t just walk around and be visible on the internet – for anyone to see you, you have to act. You have to communicate in order to maintain an internet presence.
So wird alles hypersichtbar, hyperaufgeregt und überperformt (Ich würde das einschränken: Alles wirkt hyperaufgeregt etc. – die vielen klugen, ruhigen, schönen Seiten des Netzes bekommen nur weniger Aufmerksamkeit als das Gift).
Zum Schluss eine Stelle, an der ich lachen musste: Tolentino zitiert aus dem frühen Internet-Ratgeberbuch "You can surf the Net!" von 1995. Dort heißt es: “Don’t worry. You have to really mess up to get flamed.” Der Autor hatte ja keine Ahnung.
Quelle: Jia Tolentino Bild: US National Archives EN lab.cccb.org
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Super guter Essay von Jia Tolentino, schon ein paar Mal gesehen, endlich gelesen. Danke für die Empfehlung :)