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Kurator'in für: Technologie und Gesellschaft Medien und Gesellschaft Klima und Wandel
Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.
Seit einer Woche nun veröffentlichen die investigativen Indie-Journalisten Matt Taibbi und Bari Weiss interne Dokumente, die belegen sollen, dass Twitter seine Macht missbraucht, journalistische Berichterstattung im Zuge des US-Wahlkampfs 2020 unterdrückt und konservative Nutzer systematisch zensiert haben soll. Die Dokumente wurden von Elon Musk nach der Übernahme des Konzerns einer Reihe von unabhängigen Journalisten zugänglich gemacht.
Die Veröffentlichungen sind umstritten, die Meinungen reichen von "Nothingburger" (Politico) und "Verschwörungstheorien" und "PR" (NPR) auf der einen Seite bis hin zu Vorwürfen der Täuschung an den ehemaligen CEO Jack Dorsey (WaPo) und hart formulierten Zensurbeschuldigungen an links-aktivistische Journalisten und Mitarbeiter des Social-Media-Konzerns (WSJ). (Jack Dorsey selbst fordert übrigens noch mehr Twitter-Files und unterstützt das Vorgehen von Elon Musk.)
Bari Weiss hat ihre Texte über die Twitter-Files in ihrem Substack-Newsletter ohne Bezahlschranke in (bislang) drei Teilen veröffentlicht: Twitter's Secret Blacklists, Why Twitter Really Banned Trump, Our Reporting at Twitter
Der von mir gepiqte Text in der Welt ist neben einem Text in der NZZ einer der wenigen deutschsprachigen Veröffentlichungen, die sich ausführlicher mit den Twitter-Files beschäftigen und eine Einordnung anbieten, die über die reine Aufzählung der Fakten hinausgeht. Auch deshalb ist es hilfreich, die Berichterstattung mit dem Volumen der Berichterstattung über die sogenannten Facebook-Files zu vergleichen. Ich allein habe hier auf piqd insgesamt vier Posts über die Veröffentlichungen der Dokumente von Whistleblowerin Frances Haugen veröffentlicht (1, 2, 3, 4), die Berichterstattung über die internen Verfehlungen des Konzerns wirkt bis heute nach und Zuckerberg selbst wurde vor einen Untersuchungsausschuss des Kongresses zitiert. Die Berichterstattung über die Twitter-Files und ihre Reichweite ist im Gegensatz hierzu überschaubar.
Dabei ist es so, dass Twitter seit 2014 die größte Quelle viraler Phänomene darstellte. Virale Phänomene sind mehr als lustige Bilder und Tanz-Videos, sondern Memes sind auch politische Strömungen und Haltungen, Konsensfindung und konvergierende Berichterstattungen – vor allem auf einer Plattform, die zwar nie die größten Nutzerzahlen aufweisen konnte und im Mainstream eine nur untergeordnete Rolle spielte, aber schon immer die Plattform der Wahl für Journalisten darstellte. Die internen Maßnahmen zur Lenkung viraler Ströme auf einer Plattform wie Twitter, das Lieblingsspielzeug der vierten Gewalt, die maßgeblich ist für die Formierung der öffentlichen Meinung, sind also prinzipiell von enormen Interesse – auch und gerade für Journalisten.
Meine eigene Meinung zu all dem ist nicht konsistent. Einerseits halte ich virale Dynamiken für essenziell und für den Kern von gesellschaftlicher Kommunikation im 21. Jahrhundert. Eine opake Kontrolle durch einen elitären Kreis aktivistischer Mitarbeiter erscheint mir deshalb – sagen wir mal sehr diplomatisch formuliert – suboptimal.
Andererseits bietet die Demokratisierung der Publishing-Mechanismen durch digitale soziale Medien diese Kontrollmöglichkeiten von viralen Dynamiken nicht nur Mitarbeitern, sondern jedem Nutzer. Und so finden alltäglich medienmanipulative Kommunikationstechniken auf allen Plattformen (insbesondere aber auf Twitter) Anwendung, die von Dogwhistling bis Sealioning reichen und genau dasselbe Ziel verfolgen: Die (Un)sichtbarmachung und Reichweitenverstärkung/-minderung von Inhalten. Die Strategien sind vielfältig und backstage-collusion ist eine sehr erfolgversprechende.
Ein vielgehörtes Argument für Shadowbanning und die Sperrung von Accounts ist, dass Twitter eine private Firma sei und tun und lassen kann, was sie will. Folgt man diesem Argument, muss man allerdings auch die enorme Macht anerkennen, die eine solche Plattform innehat, wenn sie den Hauptfokus viraler Dynamiken im gesamten Internet darstellt. Twitter war der zentrale Umschlagplatz für die Distribution von Ideen und Memes – in Form nicht nur von Witzen und Bilderchen, sondern viralen intellektuellen Konfigurationen: MeToo oder Aufschrei etwa wären ohne Twitter nicht möglich gewesen oder hätten sehr viel anders ausgesehen. Diese Tatsache mit der Fähigkeit auszugleichen, diese Aufmerksamkeitsströme nach Gutdünken zu lenken und im Zweifelsfall zu stören, ist eine gigantische Verantwortung, und ich persönlich fühle mich mit der Kontrolle durch woke-aktivistische Mitarbeiter genauso unwohl wie mit der nur oberflächlichen und inkonsistenten Laissez Faire-Haltung des libertären Musk.
Ich persönlich bevorzuge eine Vision von Twitter als offenes Protokoll, als öffentliches Eigentum. Eine solche Organisation der "Denkprozesse des Hive Mind" als "Fast Microblogging on the Web" könnte das Misstrauen gegenüber Absprachen und undurchsichtigen Moderationsentscheidungen verringern und Transparenz schaffen, die jetzt von unabhängigen Journalisten wie Bari Weiss und Matt Taibi geleistet werden muss, weil die Verstrickung von journalistischen Eliten mit ihren liebsten Kommunikationsspielzeugen einfach zu eng ist.
Es ist schwer, zu den Twitter-Files vor all diesen Hintergründen und Komplexitäten eine eindeutige Haltung zu beziehen. Ich denke, meine Meinung lässt sich so zusammenfassen: Macht korrumpiert – und das gilt nach der Demokratisierung für jeden Nutzer von Publishing-Technologien, insbesondere gilt es aber nach wie vor für Meinungsmacher und Mitarbeiter in Meinungsdistributionsschaltstellen.
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Danke für den Piq. Ich finde es erstaunlich ruhig in den deutschen Medien angesichts der Tragweite dieser Files und ihrer Analyse/Interpretation. Immerhin geht es - wie der dem Artikel schreibt - sehr starke Vorwürfe und das betrifft ja nicht nur Twitter:
"Allein das wäre schon Skandal genug, doch es gibt noch einen weiteren Punkt aus der Enthüllungsserie, der für Aufregung sorgt: Weiss veröffentlichte auf ihrem Twitter-Account Fotos, die belegen, dass mehrere reichweitenstarke Accounts auf eine Blacklist gesetzt wurden, um ihre Sichtbarkeit einzuschränken. Offensichtlich gibt es im Kontrollzentrum von Twitter die Möglichkeit, einzelne Konten zu markieren, damit sie nicht mehr gefunden werden oder in den Trending Topics auftauchen. Von dieser De-facto-Zensur betroffen war unter anderem der Stanford-Medizinprofessor Jay Bhattacharya, der sich kritisch über die Corona-Maßnahmen geäußert und in einem Zeitungsartikel Massentests als „schleichende Form des Lockdowns“ bezeichnet hat.
„Lockdowns waren der größte Fehler in der Geschichte der öffentlichen Gesundheit“
Eine drastische Meinung, gewiss, aber ein Grund, jemanden in der Öffentlichkeit zu verbergen?
Der Vorwurf, dass Tech-Konzerne konservative Ansichten zensieren, steht schon länger im Raum und wurde, neben den Trumpisten und der Alt-Right-Bewegung, auch sehr lautstark von Elon Musk erhoben. Der Twitter-Eigner hatte die Veröffentlichung einen Tag zuvor auf seinem Account angekündigt. Wer die „Quelle“ war, auf die sich Taibbi stützt, ist unklar, aber viel spricht dafür, dass Musk die Informationen an die Journalisten durchstach."