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Technologie und Gesellschaft

FB-interne Dokumente über Instagrams psychosoziale Wirkung bei Kids

René Walter
Grafik-Designer, Blogger, Memetiker | goodinternet.substack.com

Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.

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René WalterMittwoch, 15.09.2021

Das Wall Street Journal (archive) hat geleakte Dokumente einer internen Untersuchung von Facebook über die Auswirkungen von Social Media auf die Psyche von Kindern und Heranwachsenden ausgewertet. Der Konzern weiß nachdem seit Jahren davon, dass insbesondere Instagram zu enormen Problemen führt, das sich entwickelnde Selbstbild von Jugendlichen empfindlich stört und zu Depressionen und Selbstverstümmelungen führt.

“Thirty-two percent of teen girls said that when they felt bad about their bodies, Instagram made them feel worse,” the researchers said in a March 2020 slide presentation posted to Facebook’s internal message board, reviewed by The Wall Street Journal. “Comparisons on Instagram can change how young women view and describe themselves.”

For the past three years, Facebook has been conducting studies into how its photo-sharing app affects its millions of young users. Repeatedly, the company’s researchers found that Instagram is harmful for a sizable percentage of them, most notably teenage girls.

“We make body image issues worse for one in three teen girls,” said one slide from 2019, summarizing research about teen girls who experience the issues.

“Teens blame Instagram for increases in the rate of anxiety and depression,” said another slide. “This reaction was unprompted and consistent across all groups.”

Among teens who reported suicidal thoughts, 13% of British users and 6% of American users traced the desire to kill themselves to Instagram, one presentation showed.

Erst vor einigen Monaten hat Facebook trotz dieser Erkenntnisse Pläne für ein “Instagram for Kids” bekanntgegeben, die auf Widerstand bei Psychologen und Elternverbänden treffen. Facebook gibt an, mit den Plänen genau dem schädlichen Einfluss von Instagram entgegenwirken zu wollen, dennoch kann kein Privacy-Setting das grundsätzliche Problem des Vergleichs der eigenen Identität und des eigenen Körpers mit anderen verhindern, das durch Social Media und grade durch Instagram um ein vielfaches multipliziert wird und die Kinder einem extremen sozialen Stress aussetzt.

Der Bericht des Wall Street Journal ist ein Weckruf für alle, die Social Media als harmlosen Zeitvertreib für Kids erachten und die immer wieder erscheinenden Studien als oberflächlich abtun wollen. 

Es gibt wohl immer wieder Studien, die keine oder nur geringe Korrelationen von Screen Time und Mental Health finden können. Jüngstes Beispiel ist diese Studie, die mit rund 12000 Pre-Teens im Alter zwischen 9 und 10 Jahren durchgeführt wurde und die nur geringe Zusammenhänge zwischen Screen Time und Mental Health finden kann. Auch die vielberichteten Studien des Oxford-Professors Andrew Przybylski finden wenig Korrelationen zwischen Mental Health Issues und Screen Time. Ich halte das alles für Hogwash. Denn es geht nicht um Technologie oder Screens, sondern um Peers, also soziale Kontakte, Freunde, Bekannte, sowie die “neu” hinzugekommenen parasozialen Verknüpfungen mit Unbekannten. 

Soziale Medien erhöhen den Kontakt und den Austausch mit Peers um ein Vielfaches, maximieren den sozialen Vergleich, verzerren durch Kurations-Mechanismen die projizierte Identität sowie deren Reflektion durch die Peergroup, ermöglichen eine editierbare Wahrnehmung der digital-sozialen Umgebung -- all das hat Auswirkungen auf die geistige Gesundheit. Nicht nur von Kids, sondern von uns allen. Das hat nichts mit Screentime zu tun, sondern mit Verbindungen im sozialen Netzwerk.

Facebook weiß das. Facebook weiß insbesondere um die schädliche Wirkung seiner Produkte auf die Psyche von Kindern und im Speziellen auf die Entwicklung von Mädchen, die auf sozialen Foto-Plattformen wie Instagram einem extremen Popularitäts-Wettbewerb ausgesetzt sind. Instagram maximiert diesen Wettbewerb und erhöht den Druck im “Teenage-Popularity-Markt” um ein Vielfaches.

Facebook weiß also um die schädliche Wirkung seiner Produkte auf die Entwicklung von Kids. Dennoch will Facebook seine Präsenz unter Kindern und Jugendlichen ausweiten. Facebook ist daher spätestens seit heute der neue Nikotin-Konzern, der die schädliche Wirkung seines Produkts verleugnet und “Zigaretten Light für Kids” anbieten will, oder das neue Exxon, das seit Jahrzehnten vom Klimawandel weiß, und nun Greenwashing für sein Fossilfuel-Gelumpe betreibt.

Der Artikel des Wall Street Journal befindet sich hinter einer Paywall, hier das ganze Stück auf Archive.today: Facebook Knows Instagram Is Toxic for Teen Girls, Company Documents Show.

FB-interne Dokumente über Instagrams psychosoziale Wirkung bei Kids
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Kommentare 7
  1. Rüdiger Kladt
    Rüdiger Kladt · vor 3 Jahren

    Eigentlich müssten wir unsere Kinder vor aSozialen Medien und Leuten wie Zuckerberg schützen. Die Tatsache, dass wir das nicht tun, beweist, wie sehr unsere Gesellschaft bereits unterwandert ist.

  2. Anette Frisch
    Anette Frisch · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

    Sehr interessanter Hinweis, danke!

  3. Silvio Andrae
    Silvio Andrae · vor 3 Jahren

    Vielen Dank. Ich hatte in anderer Stelle darauf verwiesen:

    https://www.piqd.de/te...

    1. René Walter
      René Walter · vor 3 Jahren

      >Die Gefahr der sozialen Medien liegt nicht nur in der Unauthentizität der Inhalte, sondern auch in ihrer Fähigkeit, uns zu ergreifen.

      1. Sozialen Medien wurde in einer leider nur oberflächlichen Untersuchung durch einen Journalisten nachgewiesen, dass sie ebenso wie echte soziale Rituale die Ausschüttung des Hormon Oxytocin anreizen. Das Hormon wird allgemein als "Love Hormone" bezeichnet und ist für positive Emotionen beim Pflegen sozialer Bindungen zuständig. Gleichzeitig ist das Hormon für Ausgrenzung und Othering von Außenstehenden verantwortlich. Daher die Tendenz zu Tribalism in den sozialen Medien.

      2. Interessant ist ja, dass die "Ergreifung", also die Ausschüttung von Oxytocin (und natürlich Dopamin) eben *trotz* der Unauthentizität und der "nur" parasozialen Bindungen erfolgt. Unser Gehirn ist offensichtlich nicht in der Lage, zwischen echten Freunden und echten Bindungen und parasozialen Kontakten zu unterscheiden. (Wobei mich der Begriff der der "Parasozialität" stört, der historisch auf die Beziehung zwischen Fans und Popstar u.ä. angewandt wurde. Mir erscheinen die Bindungen in sozialen Medien aufgrund des Rückkanals bei der Kommunikation und die Einbettung in erweiterte soziale Netze durchaus intensiver, als es das Wort "para" an dieser Stelle suggeriert, aber sei es drum.)
      Soziale Medien sind jedenfalls eine wirkungsvolle soziale Illusion, die es vermag, das Gehirn zur Ausschüttung von äußerst potenten Hormone stimmuliert, was zu den Verwerfungen führt, die wir seit ein paar Jahren sehen und letztlich auch die exzessiven sozialen Vergleiche verursacht, die zu Depressionen bei heranwachsenden Mädchen führen.

    2. Silvio Andrae
      Silvio Andrae · vor 3 Jahren

      @René Walter Volle Zustimmung. In der Offline-Welt wird unser generatives Modell und unsere Erwartungen in der Regel mit Informationen aus der unmittelbaren (ungefilterten) Umgebung kodiert. Das bedeutet, dass das Modell die meiste Zeit über die Welt genau widerspiegelt. Bei den sozialen Medien werden die eingehenden Informationen über die Welt jedoch sorgfältig ausgewählt, kuratiert und verändert - wir haben es möglicherweise mit einer Fantasie zu tun. Wenn unsere Erwartungen durch die Inhalte der sozialen Medien aber nicht erfüllt werden und wir die Erwartungen auch nicht korrigieren, ist das Scheitern unseres eigenen Handelns vorprogrammiert. Es wird immer schwerer, unsere Erwartungen an unser eigenes Leben auf der Grundlage von Rückmeldungen aus der realen Welt anzupassen. So können uns die sozialen Medien in eine Zwickmühle bringen: Entweder wir passen die Welt unseren neuen Erwartungen an, oder wir riskieren, in Depression und Verzweiflung abzugleiten. Deswegen kommt dem Design der Medien so eine große Bedeutung zu.

    3. René Walter
      René Walter · vor 3 Jahren

      @Silvio Andrae Und die Anpassungen der Welt an unser Social Media-modelliertes Selbstbild läuft dann in Form von zB Schönheitsoperationen, die uns wie Instagram-Filter aussehen lassen, siehe die sogenannte "Snapchat Dysmorphie" oder die aktualisierte Fassung der "Zoom Dysmorphie".

      Ich bin unschlüssig, ob das Design Sozialer Medien eine wirklich so immense Rolle spielt, oder ob diese Phänomene nicht auch mit offenen und dezentralisierten Plattformen ohne Dopamin-Machines mit Quantifizierungen aufgetreten wären. Möglicherweise nicht in solch besorgniserregender Anzahl, aber meines Erachtens liegt die grundsätzliche Ursache nicht im Design der Medien zu suchen, sondern in schlichten sozial-"physikalischen" Größen wie Masse, Dichte und Geschwindigkeit, was für eine extreme Zunahme der Sichtbarkeit der kuratierten Persönlichkeit sorgt. Und diese Zunahme von Masse, Dichte und Geschwindigkeit von digital-sozialen Interaktionen wäre auch mit Mastodon und Blogs passiert, ohne algorithmisch sortierte Feeds und ohne Likes. Aber ich mag mich hier täuschen.

    4. Silvio Andrae
      Silvio Andrae · vor 3 Jahren

      @René Walter Danke für die Gedanken. Möglicherweise überlagern sich hier mehrere Entwicklungen.
      "Pics or it didn't happen."

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