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Pop und Kultur

To stream or not to stream? Die Ärzte knicken ein

Martin Böttcher
Journalist, Sammler
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Martin BöttcherMontag, 26.11.2018

Jahrelang haben sich die Ärzte aus Berlin geweigert, ihre Musik auch per Stream zugänglich zu machen. Ärgerlich für die Fans, die den Schritt zu Spotify und Co. schon hinter sich hatten und dort auf ihre Band verzichten mussten. Jetzt haben sich Farin Urlaub, Bela B. und Rod Gonzalez entschlossen, nicht länger eines der letzten aufsässigen Dörfer im besetzen Gallien zu sein: Ihre Musik findet sich nun auch bei den Streamingdiensten. Warum? Wegen des Geldes? Rod Gonzalez, der Bassist des Berliner Trios, weist das im Interview mit dem Musikexpress zurück. Denn mit Spotify und den anderen lasse sich als Künstler ja nicht wirklich Geld verdienen, sagt er. Das stimmt so halb, denn die wirklich großen Musiker bekommen auch durch Streaming nennenswerte Einkünfte, noch dazu, wenn sie, wie z.B. Taylor Swift, ganz besondere Deals für sich aushandeln können.

Was für eine Art von Deal die Ärzte für sich ausgehandelt haben, lässt sich für Außenstehende nicht beurteilen. Aber: Die selbsternannte "beste Band der Welt" ist kein weltweites Phänomen und auch wenn Deutschland der drittwichtigste Musikmarkt der Welt ist, spielt die Musik, siehe Taylor Swift, vor allem in den USA bzw. können Künstler, die flächendeckend international erfolgreich sind, eher vom Streaming profitieren als eine lokale Band wie die Ärzte.

Zwei Dinge finde ich an dem Interview mit Gonzalez bemerkenswert. Zum einen, wie überzeugt und vehement sich der Bassist, der für die anderen beiden Ärzte mitsprechen dürfte, GEGEN das Streaming ausspricht, auch wenn die Band gerade diesen entscheidenden Schritt gegangen ist. Zum anderen, dass die Ärzte, quasi als Zugeständnis an die Fans, die lieber besitzen als streamen wollen, eine große Box herausbringen, in der sämtliche Alben, Mini-Alben, EPs, Singles, Maxi-Singles und B-Seiten enthalten sind (vom indizierten "Geschwisterliebe" abgesehen). Ordentlicher Spagat!

To stream or not to stream? Die Ärzte knicken ein

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Kommentare 6
  1. Rico Grimm
    Rico Grimm · vor 6 Jahren

    Endlich! Was nämlich passiert war wegen ihrer Weigerung: Ich habe vor vier Jahren aufgehört, Ärzte zu hören. Also wirklich komplett. Verbannt aus meinem musikalischem Leben. Deswegen haben sie nicht "resigniert", sondern einfach an ihre Fans gedacht. Sie sind dorthin gegangen, wo sie sind.

    1. Edmund Epple
      Edmund Epple · vor fast 6 Jahre

      Interessante Haltung. Es hat ja Gründe, warum viele Musiker die Streamingmodelle mit sehr gemischten Gefühlen sehen. Denn wie zb auch Ryan Air Mitarbeiter fair bezahlt werden sollten, müßte das doch auch für Musiker gelten. Zu sagen, du arbeitest gefälligst weiter, aber Mindestlohn bekommst Du nicht, würden sich öffentlich nicht mal die härtesten Neoliberalen zu sagen trauen. Bei Musikern erwartet man das aber wie selbstverständlich. Weil man ist ja "Fan". Wer braucht eigentlich solche Fans?

    2. Rico Grimm
      Rico Grimm · vor fast 6 Jahre

      @Edmund Epple Wer braucht solche Fans? Jede Band, die ihre Konzerte füllen will. Mag für die Ärzte nicht zutreffen, aber für Newcomer schon. Ohne Streaming/Youtube kannst du dir heute keine Fanbasis mehr aufbauen. Ich empfehle diesen sehr hellsichtigen Essay aus dem Jahr 2008: https://kk.org/thetech...

    3. Edmund Epple
      Edmund Epple · vor fast 6 Jahre

      @Rico Grimm Das ist mir schon alles klar, denn ich kenne diese Entwicklung seit Beginn. Aber mir wird in der Diskussion immer die Technik aka Fortschritt sprich Digitalisierung als besserwisserische Ausrede benutzt, um sich vor fairen Bedingungen zu drücken. Im Biomarkt bewußt shoppen und dann keinen Cent übrig haben für kreative Leistungen, die man gerne nutzt, weil man "Fan" ist? Das passt einfach alles nicht zusammen und ist zudem übergriffig! Niemand kann unendlich oft live auftreten. Was ist zb mit Musikern, die weil sie einen Unfall hatten oder krank wurden nicht mehr auftreten können? Was haben die heute von Millionen nicht bezahlter Streams? Die Politik und die Fans haben es in der Hand. Ein Boykott, weil die Band des Herzens endlich alles herzuschenken hat, ist schon eine sehr spezielle Liebeserklärung. Oder nochmals anders gesagt, nur weil es den Beruf des Henkers gibt, muß man noch lange nicht einer werden

    4. Rico Grimm
      Rico Grimm · vor fast 6 Jahre

      @Edmund Epple 1. Ich habe gut ohne die Ärzte gelebt, ich hätte das auch bis zu meinem Lebensende fortgesetzt. Bin kein Hardcore-Fan, daher läuft dieser Teil deiner Argumentation völlig ins Leere.

      2. CDs oder Platten kaufen, ist für mich keine Option und wird es für Milliarden Menschen nie wieder sein.

      3. Du fragst, was die Bands von Millionen nicht bezahlter Streams haben? Aufmerksamkeit, Status, Prestige! Wenn dich plötzlich Millionen Leute hören, kannst du kurzerhand den Preis für deine Konzerttickets verdoppeln, Merch verkaufen, wirst für Werbung gebucht etc etc. Kleine Bands haben auch im CD-Zeitalter von der Hand in den Mund gelebt, brauchen wir uns nichts vormachen und die Verantwortung hier wieder auf den Hörer abzuschieben, der etwas so fantastisch-nutzerfreundliches wie Spotify boykottieren soll nur weil Politik, Labels, Musiker und Streamingfirmen es nicht schaffen, Deals auszuhandeln, mit denen sie alle zufrieden sind, halte ich für ziemlich daneben.

  2. Jan Paersch
    Jan Paersch · vor 6 Jahren

    Ich glaube ihm den Satz: "uns ging es hauptsächlich darum, auch bei Leuten stattzufinden, die kein Abspielgerät mehr besitzen neben ihrem Smartphone." Schade ist, dass auch die Ärzte resigniert haben. Vor zwei Jahren wären sie wohl zu Tidal gegangen. Jetzt, wo auch dieser Dienst im freien Fall ist, gibt es wohl keine Alternative mehr.

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