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Medien und Gesellschaft

Sonneborn und der Rassismus-Vorwurf

Gabriel Koraus

•Ausbildung als Sinologe und Religionswissenschaftler
•Arbeit in der Outdoorbranche mit Fokus auf soziale Nachhaltigkeit und ökologische Verantwortung in globalen Lieferketten

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Gabriel KorausDienstag, 19.01.2021

Der Vorsitzende von DER PARTEI, Martin Sonneborn, bedient sich bei einem satirischen Beitrag eines diffamierenden Idioms, welches mitunter im Volksmund verwendet wird, um asiatische Dialekte nachzuäffen. 

Dies führt zu einem mittelgroßen digitalen Aufschrei auf Twitter, den Sonneborn gekonnt ignorant an sich abperlen lässt.

Daraufhin tritt Nico Semsrott, zweiter EU-Mandatsträger von DER PARTEI, aus DER PARTEI aus und löst ein mittelgroßes Medienecho aus, in dessen Verlauf die TAZ Sonneborn "nicht mehr witzig" findet und ein Kommentator der FAZ meint, sein Bedürfnis nach dem Singen des Kinderliedes "3 Chinesen mit dem Kontrabass" artikulieren zu müssen. 

Was jetzt? Ich habe den Artikel aus der ZEIT Campus nicht um seiner selbst willen gepiqd, sondern aufgrund der Implikationen, die sich aus den darin zum Ausdruck gebrachten Standpunkten ergeben und welche die aktuelle Debatte stark verkürzen und fehlleiten. 


Die Frage, ob Martin Sonneborn's Äußerungen rassistisch sind, rührt an einem sehr komplexen Problem, dem jedoch der Umgang der Autor:innen des gepiqden Artikels, meiner Ansicht nach, in keiner Weise gerecht wird.

Die Autor:innen des gepiqden Artikels werfen Sonneborn im Wesentlich vor, "rassistische Witze" zu formulieren und "Minderheiten zu beleidigen und zu diskriminieren".  Er benutze abwertende Stilmittel und rassistische Stereotype. 

Ob er dies nun intendiert oder unwillentlich tut, wird gar nicht erst thematisiert. Es scheint aufs selbe hinauszulaufen. 

Aber wie dem auch sei, die erste Frage lautet daher: tut er dies wirklich? 

Ich meine deutlich zu erkennen, dass er dies ganz eindeutig NICHT tut. 

Seinen Beiträgen liegt stets eine spezifische Botschaft zu Grunde, die einschließt, dass er sich der bedienten stilistischen Mittel voll bewusst ist. Den Vorwurf der instinktiven, unbewussten Reproduktion latenter rassistischer Stereotype kann man, denke ich, eindeutig ausschließen. 

Ebenso wenig ist seinen Beiträgen ein intendierter, offener Rassismus zu attestieren, geht es ihm doch eindeutig nicht um die Degradierung von Personengruppen aufgrund ethnischer Zugehörigkeit und der Diffamierung von Minderheiten bzw. der bewussten Reproduktion rassistischer Stereotype um ihrer selbst willen.

Es ist einigermaßen offensichtlich, dass die Zielsetzung der Sonneborn'schen Referenzialität, also der Ansteuerung von Klischees und Vorurteilen, gerade der Thematisierung und Problematisierung derselben dient. 

Wenn im Artikel gefordert wird, "über rassistische Klischees zu sprechen, diese Stereotypen aufzuarbeiten (...)", so ignoriert dies, dass es Sonneborn ja genau darum geht. Mit dem Unterschied, dass seinen Aufarbeitungen die Überzeugung zu Grunde liegt, dass "nur drüber zu sprechen" nicht genug ist. Weil sich dies leider als nicht besonders effektiv herausgestellt hat. 

Und hier kommen wir zu der zweiten, der eigentlich spannenden Frage: dürfen rassistische Stereotype und Klischees satirisch reproduziert werden, um durch den intendierten Tabubruch den Finger so richtig schmerzhaft in die Wunde zu legen? 

Schlagwörter wie "Political Correctness", "Cancel Culture" und "Lisa Eckhart" fallen in diesem Zusammenhang mittlerweile reflexartig.

Kann also auf die eben genannte Weise ein stärkeres Problembewusstsein erzeugt werden, als es durch die einfache Benennung internalisierter, diskriminierender Denkmuster möglich wäre? Auch wenn dies partiell mit der möglichen Kränkung betroffener Personengruppen einher geht? 

Oder ist damit eine Grenze überschritten? Sind die eventuellen Befindlichkeiten bei Betroffenen und Diskriminierten höher zu gewichten? 

Ab wann kommt dieser Betroffenheit Vorrang gegenüber der (eventuellen?) Aufklärungsabsicht zu?

Dann aber: führt dies nicht in eine Übersensibilität, bei der Satire in konsequenter und prägnanter Art und Weise nicht mehr praktikabel ist? 

Oder ganz fundamental: manifestieren sich in dieser gut gemeinten Praxis exakt jene symbolischen Defizite, die strukturellem Rassismus zu Grunde liegen?

Welche Abstraktionsebenen sind legitim, welche unzulässig? 

Es geht nicht um die Frage, ob Satire rassistisch sein darf. Das darf sie nicht! 

Es geht um die Frage, ab wann sie rassistisch wirkt. 

Diese komplexe Frage wird jedoch völlig verdrängt: durch das echauffierte Herumfuchteln mit der Keule des pauschalen und eindimensionalen Rassismus-Vorwurfs. 

Ja schlimmer: dadurch werden die Adressat:innen dieses Vorwurfs vor einer wirkungsvollen, fundierten Konfrontation mit Ihrem möglichen Fehlverhalten verschont.  





 

Sonneborn und der Rassismus-Vorwurf

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Kommentare 6
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor fast 4 Jahre

    Ich fand Sonneborns Äußerungen tatsächlich rassistisch. Allerdings hatte ich auch den Eindruck dass er sie sehr wohl satirisch nutzte. Aber schwierig: mir fehlte eine stärkere Klarstellung - gelang ihm das nicht richtig oder war es nur mir zu wenig? hm.
    Ich denke er hat übertrieben. und dann zu wenig erklärt - auch wenn man ja zu recht sagt: dem witz oder die Satire die man groß erklären muss ...
    Das Ganze erinnert mich an einen Artikel den ich gestern im STANDARD las: Wien im Video unter einem Atompilz. Anti-Atomwaffen-Video. Riesen Aufschrei, speziell vom Wiener Bürgermeister weil das unsensibel sei die Menschen zu ängstigen - gerade in einer Pandemie etc. Jetzt mal unabhängig davon was an Atomkriegsszenarios Anklänge an eine Viruspandemie geben soll, war mir diese Aufregung total unverständlich. Das Video war eindeutig markiert. es war zb n i c h t etwa ohne Erläuterung in einem NachrichtenFormat ausgestrahlt worden oder so.
    Hier also ist meiner Meinung nach der Beitrag recht klar markiert gewesen. und dennoch wurde er offensichtlich von vielen "falsch" verstanden.

    1. Gabriel Koraus
      Gabriel Koraus · vor fast 4 Jahre

      Schöne Referenz, die Nummer aus dem Standard.
      Zurück zum Sonneborn: ich denke, es gibt bei der Frage, ob eine Äußerung als rassistisch bezeichnet werden kann, mehrere Deutungsebenen. Im Wesentlichen kämpft hier der Aspekt der Intention des Autors/der Autorin gegen den Aspekt der rassistischen Strukturen in Sprache und Denken gegeneinander. Also ein recht konkreter Aspekt gegen einen sehr generellen - und darin besteht die Schwierigkeit des Abwägens. Sonneborn hat sich rassistischer Sprachmuster bedient, aber die Proposition des Gesagten ist eben gerade antirassistisch.
      Was bedeutet dies dann für die Äußerung selbst?

  2. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor fast 4 Jahre

    Ich habe nur 2 Chinesen kennenlernen dürfen. Der eine konnte eigentlich gar kein "R" aussprechen, der andere nur, wenn er sich sehr konzentrierte. Das war lustig, weil er es dann rollte wie Zarrrra Leanderrr.

    1. Gabriel Koraus
      Gabriel Koraus · vor fast 4 Jahre

      .... jaa, die können's halt echt einfach nicht. Danke für diese inspirierende Anekdote!

    2. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor fast 4 Jahre

      aha. Soll hierbei das letzte rrrrrrrr-zeichen Ihre Äußerung nun ala nicht ernst gemeint markieren? (Denn ich glaube ja nun nicht dass Sie Nicht wissen, dass nur ein Teil der Chinesen normalerweise kein R sprechen, sehr viele dagegen sehr wohl? ).

    3. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor fast 4 Jahre

      @Cornelia Gliem alles errnst gemeint...wollte nur sagen, dass es egal ist, ob jemand das kann oder nicht und der Scherz darüber aus meiner Sicht keinesfalls zwingend rassistisch ist.

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