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Medien und Gesellschaft

Christoph Kucklick über Journalismus und Aktivismus

Christoph Zensen
Informationswissenschaft, Medieninformatik, Produktmanagement

#ViewFromSomewhere #MovementJournalism

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Christoph ZensenSonntag, 30.05.2021

Christoph Kucklick, Leiter der Henri-Nannen-Schule, eröffnet im Medienmagazin des SR 2 KulturRadio einige neue Perspektiven auf die alte Frage, wo die Grenze zwischen Aktivismus und Journalismus verläuft.

Im Verlauf des Gesprächs wird deutlich, dass für ihn guter Journalismus vor allem durch genaue und gründliche Recherche zu erreichen ist. Die Moderatoren versuchen mehrfach das Gespräch in bekanntes Terrain zu lenken, um über Ausgewogenheit und Neutralität zu sprechen. Aber Kucklick führt immer wieder auf Genauigkeit und Gründlichkeit.

So kommentiert er die Fridays-for-Future-Ausgabe des Sterns lediglich so, dass er sich noch „ein paar Komplizierungen des Themas“ gewünscht hätte. Und Rezos Zerstörungen lobt Kucklick sogar als hyperjournalistisch und als einen Versuch, das Prinzip des Journalismus auf die Spitze zu treiben, indem er für jede Behauptung minutiös Belege anführt.

Zu dem Loblied auf Rezo passt auch, dass er sich vom politischen Journalismus mehr Mut beim Aufdecken von Lügen wünscht:

aber da wird meiner Meinung nach zu selten gesagt, Hey Leute, das ist eine Lüge. Also ich glaube, wir sollten sozusagen die Maßstäbe, die wir journalistisch im Umgang mit der AfD anlegen, mit allen anlegen. Und zwar nicht, um zu sagen, die sind alle gleich, sondern –  wieder Erinnerung daran – wir sollten durchaus genau hinschauen und in dieser Genauigkeit liegt der eigentliche Wert des Journalismus.

Genau hinschauen. Darin liegt für Kucklick der Wesenskern des Journalismus und auch der Unterschied zum Aktivismus. Kucklick nimmt dabei eine Position ein, die man sonst auch noch von Jay Rosen kennt. Rosen spricht in dem Zusammenhang immer von "high standards of verification". Kucklick demonstriert das Kriterium auch sehr schön am Beispiel der New York Times und ihrer Fixierung auf die Müller Investigation (2017-2019).

Aber gucken wir uns mal an, was die New York Times gemacht hat. Die hat zum Beispiel in einem absurden Aufwand diese Müller Investigation gefeatured. Also Russland hat sozusagen die Wahl gekapert. Das war nach wie vor und im Rückblick, das war Bullshit. Die haben da auf das falsche Pferd gesetzt, weil sie keine journalistischen Stopp-Kriterien mehr hatten. Das meine ich damit. Zu sagen, wir sind entschieden gegen Trump, das ist gut und richtig. Zu sagen, wir verlassen unsere journalistischen Kriterien und pushen eine Untersuchung und versuchen immer wieder, was da rauszuholen, das ist der Fehler. Und ich glaube, genau da verläuft die Grenze zwischen blindem Aktionismus und sozusagen journalistisch aufgeklärter Positionierung.

Und so hat die ganze Argumentation auch noch eine zweite Ebene. Denn sie ermöglicht, dass journalistische Anwaltschaft durch die Hintertür dann doch wieder ermöglicht wird. Es muss nur zu jeder Zeit klar sein, was im Journalismus Priorität hat.

Auf diese Weise baut Kucklick auch eine Brücke, die aus dem überkommenen Neutralitätsideal hinausführen kann. Denn wer gründlich und genau arbeitet und seine Schlüsse gut belegen kann, der ist auch weniger auf die Schutzfunktionen angewiesen, die die Inszenierung von Neutralität mitbringt.

Christoph Kucklick über Journalismus und Aktivismus

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