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Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).
In dem sehr schönen Nachwort zur englischen Ausgabe von Thomas Bernhards The Loser bin ich auf den Begriff "Zeitungsfresser" (für Thomas Bernhard) gestoßen und schon davor hab ich mir in mein Rezensionsexemplar von Benjamin von Stuckrad-Barres Ich glaub, mir geht's nicht so gut, ich muss mich mal irgendwo hinlegen. Remix 3 (KiWi) die Presse-Highlights des bisherigen Zeitungsroman-Monats März reingelegt. – Keine Angst, alles ohne Links und nur Print:
Der Zettelkasten des scheidenden FAZ-Politik-Redakteurs Günter Bannas, im großvolumigen FAZ-Magazin März unter der Überschrift "+++BONN+++BERLIN+++BANNAS+++" veröffentlicht ("Hintergrundgespräch bei Helmut Kohl. Kleiner Kreis, runder Tisch im Bonner Kanzlerbungalow. Kohls Weinglas war immer voll, nachgefüllt und verdünnt mit Wasser. Als der erste seiner Gäste schwächelte, machte der Kanzler Scherze zu Lasten Dritter.")
Moritz von Uslars ZEIT-Portrait über die Schauspielerin Sandra Hüller anlässlich der Einlesung eines Herrndorf-Hörbuchs (in dem Hüller über Herrndorf sagt: "Man kann sich total auf ihn verlassen. Er lügt nicht. Er macht keine Effekte. (...) Dieser Autor hat keine Angst vor Abgründen. Und gleichzeitig stellt er sie nicht aus, er findet seine eigenen Abgründe nicht schick.").
Leif Randts Bondi Beach-Reportage "Den Beach trifft keine Schuld" aus dem ZEIT-Reise-Sonne-Spezial, die von Singapur Airlines finanziert wurde ("... In einer Art Vereinsheim für die australische Form von Boule trinke ich schließlich ein sämiges Cooper's für zehn Dollar und denke, dass Beschreibungen von Orten und Situationen immer weniger notwendig sind, seit man sie jederzeit abfilmen kann. Beschreiben muss man vielleicht nur noch das eigene Befinden. Und zwar so: Mir geht es sehr gut.").
Norman Ohlers FAS-Artikel "Hero Hitler in Love" über Hitler als beliebten Markennamen in Indien ("Auch eine Seifenoper wirbt mit dem Massenmörder: "Hitler Didi". Es geht darin um die Liebesprobleme einer jungen Frau aus Old Delhi – die Handlung hat rein gar nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun.").
Jochen Schmidts letzte Fernsehkolumne, ebenfalls in der FAS, über Musik-Videos-aus-den-80ern-Raten in einem Fußballvereinsheim im Kreise der sogenannten Autonama, über die ich hier allerdings nicht weiter Auskunft geben kann, weil ich in ihr flächendeckend (und falsch) zitiert werde und ich nicht in ein laufendes Verfahren eingreifen möchte.
Keine Ahnung, was das alles mit Stuckrad-Barres streckenweise sehr gutem Sammelband alter Texte zu tun hat, die in den letzten Jahren bereits in BZ, Welt, Die Dame und Rolling Stone erschienen sind. Die Beschreibungskunst des "Panikherz"-Autors steht und fällt dabei natürlich mit Thema und gewählten (oder zugeteilten) Gegenstand. Einige Geschichten haben die Zeit erstaunlich schlecht überstanden: ein Besuch des Autors Ferdinand von Schirach, in dessen Schreibklausur in Venedig beispielsweise ist einfach nur so langweilig wie die verbotenen Worte über Venedig, die Stuckrad-Barre trotzdem ober-gaggig hinschreibt ("morbide, malerisch, morsch..."). Ein Rückblick auf die WM 2010 ist von einer schwer auszuhaltenden Anlasslosigkeit (warum guckt Stuckrad-Barre Fußball?) und fast schon wieder sympathischen Sinnlosigkeit (der Text handelt im wesentlichen davon, wie Stuckrad-Barre sich Jogi Löws babyblauen Turnier-Pullover zu kaufen versucht). Und in den Jahresrückblick mit Harald Schmidt auf 2013, der mich damals auf dem Höhepunkt einer privaten Krise mit einem zwischenzeitlichen Heiterkeitsanfall für einen kurzen Moment aus meinen Sorgen riss, kommt man nicht mehr richtig rein, allein schon weil er mit solchen Has-beens wie Sylvie van der Vaart beginnt.
Aber das ist alles egal, denn kaufen muss man sich diesen fantastischen Band trotzdem allein wegen eines sehr kurzen, kritischen Portraits über Rainald Goetz, das genau deswegen zur schönsten Hommage wird, die dem Autor auch zu einer gewissen Selbstbespiegelung dient, in der eine vielleicht sogar jedem Schreibimpuls notwendig innewohnende Schnöseligkeit durchscheint, der man selbst nur sehr schwer und über Umwege wie diese auf die Spur kommt. Deswegen möchte ich dieses Portrait hier etwas länger abzitieren, ohne die Pointe zu verraten (die mit einem Streit über die Poesie von Blumfeld zu tun hat):
Mit Rainald Goetz ... war man ja immer abwechselnd verstritten oder verliebt ineinander, man wusste nie so genau, ob er einen gerade als super empfand oder als verabscheuungswürdig, das wechselte munter ab, man ahnte oft nichts, wenn man ihn traf, dann war er aber schon wieder ganz aufgeregt, weil er irgendwas, das man geschrieben oder öffentlich gesagt oder getan hatte, absolut verwerflich oder eben auch mal total toll fand. Über diese seine Kontroll- und Bewertungssucht jedes veröffentlichten Worts konnte er in [sic] guten Tagen auch selbst sehr lachen, es aber nicht ändern. Klar, totales Spastentum, logisch, sagte er dann und schwitzte und umarmte einen, mit Bierflasche in der Hand. Oder er schrie einen an und blitzte einem indezent mit seiner kleinen Kamera direkt ins Gesicht, als könne er somit eine Art Exorzismus durchführen. Die überspannten Auftritte des Rainald Götz in jener Öffentlichkeit, die zu beobachten und zu sezieren und schließlich schriftlich zu vernichten ja immer sein Konzept und seine Bedingung jeglicher Teilnahme, wenn nicht Teilhabe war, immer mit Kinderfüllfederhalter und Oktavheft ausgerüstet, ja man muss wohl sagen: bewaffnet, diese öffentlichen Auftritte waren natürlich selbst auch Teil der Öffentlichkeit und als solche zu bestaunen; wie ein Kind, das sich die Augen zuhält, schien Goetz nie so ganz klar zu sein, dass auch er gesehen wird bei seinen Erkundungen. Ja, dass auch er - wie alle anderen - in der Öffentlichkeit eine lächerliche Figur darstellt, ein überdrehter 60-jähriger, immer aufgeregt, immer fotografierend, notierend, niemals einfach nur rumstehend den Dingen ihren Lauf lassend, und den jegliche Art von Prominenz ausrasten lässt und elektrisiert, wie den letzten Bunte-Abonnenten; und dass auch er sich mit diesen Auftritten und dem rücksichtslosen Ausleben seiner Neurosen schuldig macht, und sei es nur, indem er wieder einen angenehm oberflächlichen Abend mit superbrutalen Attacken gegen irgendwen zerstörte und einfach nicht checkte, dass man gern auch einfach mal so plaudern will und nicht jeder beim "Nennwert seiner Öffentlichkeitsfigur" bewertet und behandelt werden muss, wirklich jeder, der irgendwo etwas sagt, schreibt oder "meldet", wie Goetz das nennt, als sei er der immerwache Schleusenwärter und Grenzbeamte. Im Text freilich reflektiert er das, natürlich, das ist ja eines seiner großen Themen. In der realen Interaktion jedoch ist er, der große Durchschauer sozialer Vorgänge: ein hampelnder Idiot. Macht ja nichts. Lustigerweise aber hat er genau das mal mir vorgehalten, dass ich in irgendeinem Buch doch sehr genau irgendwelche Sozialregeln beschrieben und erkannt hätte, gegen die ich aber nun im persönlichen Umgang verstoßen hätte. Und bestimmt hatte er recht. Besser als umgekehrt, da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Dr. Goetz.
Weil Rainald Goetz aber natürlich einer der großartigsten deutschen Schriftsteller überhaupt ist und unglaublich viel erfunden und bewirkt hat, ist es ja logisch, dass jeder der "auch schreibt", automatisch Rainalds Nähe sucht, was ihn natürlich immer stresst, verständlicherweise, und sein oft völlig asozialen Zurückweisungen erklärt. Die auchschreibenden Leute wollen von Rainald gemocht und akzeptiert werden, gerade weil sie wissen, wie streng und ungnädig er ist, und so lassen sie sich alles gefallen, und wenn er sie beschimpft, hat immerhin Rainald Goetz sie beschimpft.
Der Text geht dann noch superlustig weiter (Goetz nimmt Stuckrad-Barre in einem "RAF-BMW" mit zum Sowjetischen Ehrenmal nach Treptow), aber das müssen alle Zeitungsfresser und Auchschreiber jetzt bitte selber lesen, denn ich hab keine Zeit mehr zum Abschreiben.
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