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Anne Hahn, in Magdeburg geboren, lebt seit 1990 in Berlin. Studium der Kunstgeschichte/Geschichte in Berlin und Florenz. Seit 1999 Porträts, Reportagen und Rezensionen in verschiedenen Medien. Buchveröffentlichungen u.a.: "Satan, kannst du mir nochmal verzeihn - Otze Ehrlich, Schleimkeim und der ganze Rest" (mit Frank Willmann) Ventil Verlag 2008, "Pogo im Bratwurstland: Punk in Thüringen" LzfpB, 2009, „DreiTagebuch“ Roman, „Gegenüber von China“ Roman, beide Ventil Verlag, 2014, "Das Herz des Aals", Roman, Ventil Verlag 2017, "Mitten drin - Fußballfans in Deutschland" BfpB, 2018, "Vereint im Stolz - Fußball, Nation und Identität im postjugoslawischen Raum", BfpB 2021
Alles begann mit einer E-Mail, die ich vor einigen Tagen erhielt. Ich solle für das Verkäuferkonto meines Buchlädchens eine Genehmigung beantragen, um in den Kategorien "Produkte mit nicht jugendfreien, erotischen Inhalten" und "Produkte zur Sexualhygiene" verkaufen zu können. Über einen Chatkasten fragte ich um Hilfe an, versuchte der Dame dort zu schildern, dass ich Bücher verkaufte und keine Sexualhygieneprodukte. Sie recherchierte in meinem Bestand von 20.238 Büchern und tippte den Link zu einem meiner Bücher ein: "Erotik macht die Häßlichen schön. Sexueller Alltag im Osten", einige Sekunden später: "Die Frauen, Pornographie und Erotik – Interviews". Ich fragte, ob das die bewussten Produkte der Sexualhygiene seien? Sie brauchte einige Minuten, um komplex zu antworten:
"Erotische Produkte werden wie folgt definiert: Alle Produkte, die aufgrund ihrer Beschaffenheit, des Produktbilds, des Produkttitels oder der Produktbeschreibung für sexuelle bzw. nicht jugendfreie Aktivitäten konzipiert zu sein scheinen. Zu den Produkten in dieser Kategorie gehören unter anderem Produkte wie Vibratoren, luststeigernde Mittel sowie Sexspielzeug für Erwachsene. Auch Medien können darunter fallen. Bei Medien sind speziell freizügige Titelbilder relevant, die zum Beispiel sexuelle Aktivitäten wie Geschlechtsverkehr oder Masturbation zeigen, aber auch freigelegte Brüste und ähnliches. Bei einem derart großen Lagerbestand und vielfältigem Angebot kann ich nicht genau prüfen, ob das auf keinen Ihrer Artikel zutrifft."
Ich bedankte mich, setzte ein Häkchen bei Genehmigung beantragen und bekam einen Tag später mitgeteilt, dass ich nunmehr auf der Plattform verkaufen dürfe. Herzlichen Glückwunsch! Nicht schlecht staunte ich, als ich wenige Stunden später per Mail aufgefordert wurde, ein indiziertes Buch aus meinem Bestand zu entfernen. Ich löschte es, suchte das echte Büchlein mit der nahezu unbekleideten, von hinten fotografierten Dame auf dem Cover, nahm es mit nach Hause und las es über Ostern quer. Eine gute Ergänzung zur eigentlichen Lektüre, die ich gerade beendete; "Zeit der Zauberer" von Wolfram Eilenberger, welche mich derart vergnüglich und hochgradig zum Mitdenken aufforderte, dass ein wenig Entspannung geraten schien. Warum nicht mal einen erotischen Roman aus der Heyne-Exquisit modern Reihe lesen?
Weil es mich rasend wütend machte. Mit unstimmigen Bildern in haarsträubender Sprache erzählt die Autorin von einem jungen Mädchen, das im zweiten Studienjahr eines amerikanischen Colleges auf dem Weg ist, "Campus-Königin" zu werden. "Sie brauchte nichts weiter zu tun, als wie ein begehrenswertes weibliches Wesen auszusehen." Kittys Zimmerkollegin Annette arrangiert eines Abends ein Treffen mit zwei "richtigen" Männern, welches mit der Vergewaltigung Kittys endet. Das Unangenehme an dieser Szene war für mich die lustvolle Beschreibung des Aktes, die Erregung Kittys, gegen die sie sich bei aller Abscheu nicht wehren kann. Kitty wird Opfer ihres Körpers, so der Tenor der Autorin, welcher besser Bescheid weiß und die Initiation genießt.
Ich warf das Buch fort und griff nach Margaret Atwoods Debüt "Die eßbare Frau", welches ich kürzlich ausgelesen habe. Richtig, es ist 1969 in den USA erschienen, zehn Jahre vor Larkins Kitty! Atwood beschreibt ebenfalls zwei junge Frauen in einer Wohngemeinschaft, die eine möchte Mutter werden, die andere heiraten. Wie wohltuend Atwood ihre jungen Frauen beschreibt, als denkende, individuelle Charaktere, die ihren Weg in der patriarchalen Gesellschaft suchen, ohne sich zu verraten oder bis zur Aufgabe anzupassen. Atwood lässt ihre Hauptfigur Marian hungern, nachdem sie sich verlobt hat, sich in eine Weigerung hineinsteigern, die bange wie neugierig macht.
Kitty ist zehn Jahre nach dem Vorfall eine gelangweilte Hausfrau mit zwei Kindern und schwarzem Dienstmädchen. Als Kitty entdeckt, dass ihr Mann sie betrügt, ergreift sie die Initiative und erweitert den ehelichen Sexbegriff. Später lässt sie sich von einem Musiker, der in ihrem Kaff gastiert, drei Tage lang verführen und reist diesem hinterher, wird jedoch abgewiesen, auf dem Rückweg verhaftet und von einem Sheriff vergewaltigt. In der Beschreibung all dieser Vorgänge geht es detailliert um den Sexualakt an sich, um die Erregung, gemischt mit der variierten Botschaft: Frauen wollen das so, sie begreifen erst später, wie geil das war. Widerlich, demütigend, ekelhaft!
Leider habe ich wenig biografische Hinweise auf die Autorin Rochelle Larkin gefunden, auf deutschen Buchverkaufsportalen werden einige ihrer Schmuddelwerke angeboten, auch Kinderbücher hat sie geschrieben und Märchenadaptionen. Ich bin jedenfalls meinem Verkaufsportal ein wenig dankbar, dass es mich darauf hingewiesen hat, wen ich unter meinen etwa dreihundert Büchern der Kategorie "Sex" stehen habe, auch wenn ich Verbote generell für bevormundend halte.
Marian kredenzt bei Atwood ihrem Verlobten schließlich einen Kuchen – sie hat sich selbst aus Kuchenteig geformt, mit einem Bikini, Haaren, Augen und Mund versehen, stellt die Platte mit dem Kuchen ehrfürchtig wie eine Ikone vor ihm ab:
"Du hast versucht, mich zu vernichten, nicht wahr", sagte sie. "Du hast versucht, mich zu assimilieren, zu absorbieren. Aber ich habe dir einen Ersatz gemacht, etwas, was du viel lieber mögen wirst. Was du eigentlich immer gewollt hast. Ich werde dir eine Gabel holen", fügte sie etwas prosaisch hinzu.
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