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Quelle: Helon Habila
Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Helon Habila berichtet in seinem Roman Travellers von der Anwesenheit afrikanischer Menschen im derzeitigen Europa. Der Reigen ineinander verschränkter Lebensgeschichten setzt in Berlin aus einer vergleichsweise privilegierten Position ein. Der Erzähler stammt – wie der Autor selbst – aus Nigeria, lebt aber seit Langem in den USA. Mit seiner Frau kam er wegen eines Künstlerstipendiums in die Hauptstadt und treibt durch ihre Straßen. Die Schicksale von Geflüchteten, die seine Wege kreuzen, ihre Motive, Irrfahrten und Vergeblichkeiten werden vom Autor differenziert vorgestellt und nicht gegen die Folie von saturierten europäischen Einheimischen gesetzt. Ein Fremder beobachtet und spricht mit Fremden. Ihre Stimmen werden hörbar. Sie kommen uns nah. Es sind Menschen, keine Eindringlinge.
Parallel dazu lockern sich die Fixpunkte der Existenz des Erzählers immer mehr. Eigentlich sollte er seine Doktorarbeit schreiben und bald in die USA zurückkehren. Aber er trennt sich von seiner Frau und bleibt in Berlin, wo er schließlich Portia kennenlernt, die einzige aktive weibliche Protagonistin des Romans. Sie ist jedoch keine Geflüchtete, sondern kann sich – wie er – mit einem Reisepass frei über Grenzen und Kontinente bewegen. Eine kurze Affäre zwischen dem Erzähler und Portia entspinnt sich. Die hochgebildete Tochter eines berühmten Dichters der afrikanischen Befreiungsbewegung ist nach Europa gekommen, um mehr über den unerklärlichen Tod ihres Bruders zu erfahren. Aus den Erzählungen seiner in Basel lebenden Ex-Frau erfährt Portia von dessen unglücklichem Dasein, trotzdem er scheinbar Halt durch eine Ehe mit einer weißen Einheimischen hatte. Die Verpflichtungen der Herkunft vergrößerten die Distanz zwischen den Verheirateten bis zur Unerträglichkeit.
Danach fliegt Portia nach Malawi, wo sie als Lehrerin arbeitet, während der Erzähler den Zug nach Berlin nimmt. Er trifft auf einen aus Somalia geflüchteten Vater mit seinem Sohn, der ihm die Geschichte seiner abenteuerlichen jahrelangen Flucht anvertraut, die ihn vom weiblichen Teil seiner Familie getrennt hat. Dann verwechselt der Somali beim Aussteigen seinen Koffer und nimmt den des Erzählers samt seinen Papieren mit. Dieser kann den Irrtum nicht klären und ist somit plötzlich ohne Ausweis. Beim Umsteigen landet er im falschen Zug und wird mit abgeschobenen Afrikanern in ein Lager auf eine italienische Insel verfrachtet. Ohne Pass ist er ein Niemand und damit von den Geflüchteten, die er vorher bloß beobachtet hat, nicht mehr unterscheidbar. Er wird lethargisch, hat seine Richtung, seine Identität, seinen Willen verloren.
In einer weiteren Perspektive lernen die Leser einen jungen freiwilligen italienischen Helfer kennen, der sich um den Verwahrlosten kümmert. Der Helfer erzählt ihm von einer im Meer gefundenen Frau, die er erschöpft am Strand findet und bei sich aufnimmt. Es stellt sich heraus, dass es jene Frau ist, die ein Bekannter des Erzählers in Berlin jahrelang am Checkpoint Charlie erwartete, da sie diesen Ort als Treffpunkt vereinbart hatten, sollten sie während der Flucht getrennt werden.
Auf der italienischen Insel ist der Protagonist nunmehr ohne Zukunft, also kommt er auf die Idee, sich nach Afrika schmuggeln zu lassen. Zurück in seinem nigerianischen Elternhaus ist er der Familie jedoch nur peinlich. Man hatte alle Hoffnung auf ihn gesetzt und er gilt nun als Versager.
Im letzten Kapitel trifft er neuerlich auf Portia, diesmal in London, wo sie Aktivisten helfen, einen geflüchteten Nigerianer vor der Polizei verstecken. Aber vergeblich. Nur auf den amerikanisch sozialisierten afrikanischen Erzähler wartet ein Happy End. Er wird mit Portia nach Malawi ziehen.
Auffällig an diesem spannend zu lesenden Roman ist, dass sich Habilas Recherchen auf männliche Geflüchtete konzentrieren, was wohl nicht absichtlich geschah, aber herrschenden Strukturen geschuldet ist. Damit wird die Perspektive von weiblichen Geflüchteten, die sicherlich eine andere ist, vernachlässigt. So einfühlsam und meisterlich Habila die ihm erzählten Schicksale literarisch verarbeitet, so schmerzhaft bleibt diese Leerstelle. Sie zeigt, wie gendergebunden derzeitige Berichte sind. Es scheint schwieriger, Schicksale von geflüchteten Frauen, sei es in Reportagen, sei es in literarischen Texten sichtbar zu machen. Der ins Deutsche übersetzte Roman wird, wie Habilas bisherige Bücher, im bemerkenswerten Verlag Wunderhorn erscheinen.
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