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Wie die Frauen Mexikos gegen die Gewalt kämpfen – und eine Journalistin darüber zur Feministin wurde

Alexandra Endres
Journalistin
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Alexandra EndresSamstag, 18.05.2019

Marcela Turati ist eine der profiliertesten Journalistinnen Mexikos. Sie berichtet über Menschenrechte und Gewalt im Drogenkrieg; ist (Mit-)Gründerin des Netzwerks Periodistas de a Pie sowie der Organisation Quinto Elemento Lab, die sich beide für investigativen Journalismus, die Weiterbildung und den (Selbst-)Schutz von Journalist*innen in Mexiko einsetzen; und sie hat sich im vergangenen Jahr zusammen mit Kolleg*innen die Mühe gemacht, die bislang im Land gefundenen Massengräber zu kartieren und zu zählen (sie kamen auf fast 2.000 Stück).

In ein paar Tagen wird Turati in Frankfurt auf dem Kongress "Geographien der Gewalt" sprechen, der sich mit Macht und Gegenmacht in Lateinamerika auseinandersetzt. Aus diesem Anlass veröffentlichten die Veranstalter*innen einen sehr lesenswerten Text von ihr.

Es ist ein Text über Mexikos Frauen, die offenbar viel mehr als die Männer versuchen, der allgegenwärtigen Gewalt etwas entgegenzusetzen. Turati nennt es einen "weiblichen Kampf gegen den sozialen Notstand". Ihr Artikel erzählt viel davon, wie es ist, in einem Land voller Toten am Leben festzuhalten. Und es ist ein sehr persönlicher Text darüber, wie Turati über ihre Begegnungen mit den Frauen und deren Leid selbst zur Feministin wurde.

Ich entdeckte Frauen, die versuchten, den lähmenden Schrecken aus der Luft zu vertreiben, sei es mit Angeboten wie Reiki oder mit einer der Situation angemessenen Dosis an Blumentherapie. Umherziehende Künstlerinnen malten mit Sprühschablonen Gedichte oder gaben in Parks, wo es „Exekutierte gegeben hatte“ und sich die Anwohner nicht mehr auf die Straßen trauten, Akrobatikklassen und Hip-Hop-Konzerte. Diese Stehgreif-Seelsorgerinnen bildeten in den am schlimmsten betroffenen Vierteln Selbsthilfegruppen, um gegen den Schmerz anzukämpfen. Die Aktivistinnen kümmerten sich um das Unheil, welches die Gewalt hinterließ, wie die Unterernährung von Kindern. Anwältinnen hörten die Zeugnisse von Opfern und nahmen sich der Verteidigung ihrer Fälle an, auch wenn sie sich dabei mit Polizisten und Militärs anlegten.

Die überwältigende Mehrheit dieser Wohltäterinnen waren Frauen.

Turati hat die Frauen begleitet, die im ganzen Land nach ihren verschwundenen Angehörigen suchen, weil die Behörden das nicht tun.

Männer, die sie begleiten, sind selten. In der Regel ziehen die Frauen alleine los.

Wann immer ich einen Ehemann oder einen Sohn dieser Frauen treffe, frage ich sie: Was ist los? Wo sind die Männer?

Ich habe noch keine zufriedenstellenden Erklärungen gehört, nur Ansätze.

Ein Ansatz ist: Die mexikanische Machokultur erlaubt es den Männern nicht, Trauer zu zeigen. Oder ihre Arbeit aufzugeben, um nach ihren Kindern zu suchen. Eine andere Erklärung: In einem Land, das Maria als Nationalheilige verehrt, sind die Narcos abergläubisch gegenüber der Mutterfigur. Mütter können dort suchen, wo die Väter in Gefahr wären. Männer sind eher bedroht, zwangsrekrutiert oder umgebracht zu werden.

Seitdem ich diesem wandernden Krieg folge, aus der Sicht seiner Opfer und seiner Überlebenden von ihm erzähle und von den Möglichkeiten berichte, ihn zu händeln und neues Leben auf verbannter Erde zu sähen, haben die Dinge, die ich sah, mich in eine Andere verwandelt. Diese Andere versteht sich, neben anderen neuen Identitäten, als Feministin. Nicht weil es meine Absicht wäre, mich mit Männern um Vorherrschaft und mehr Anerkennung zu streiten. Sondern weil ich mit ungekannter Klarheit die Rolle jener Frauen sah, die ausziehen, um sich um andere zu kümmern.

Wie die Frauen Mexikos gegen die Gewalt kämpfen – und eine Journalistin darüber zur Feministin wurde

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