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Kurator'in für: Klima und Wandel Fundstücke
Ole hat für die Bertelsmann Stiftung die internationale Blogger-Plattform Futurechallenges.org aufgebaut und beschäftigt sich dort nun mit den Wechselwirkungen von Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Er ist Co-Founder der Menschenrechtsplattform www.futurechallenges.org und befasst sich mit der Fragen der Globalisierung, der Zukunft der Arbeit und mit den Wechselwirkungen von Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Er schreibt auch auf www.netzpiloten.de, ist u.a. als selbständiger Berater zu digitalen Trends tätig und ist im Beirat des Colab_Digital aktiv. Alle hier geposteten Texte geben ausschließlich seine private Meinung wieder.
Der pandemiebedingte Übergang zum Home Office und die derzeitige Debatte über den Umfang der Rückkehr in die Büros offenbaren, dass es zwei Fraktionen gibt. Für die eine Fraktion ist das Büro für den Erhalt sozialer Beziehungen wichtig (überwiegend sogenannte Führungskräfte), für die andere Fraktion geht es beim Home Office um Selbstbestimmung (die sogenannten “Geführten”). Die Debatte wird dabei häufig polarisiert geführt. Eine neue auf Nature.com veröffentlichte Studie (Brucks, M.S., Levav, J. Virtual communication curbs creative idea generation. Nature 605, 108–112 (2022), https://doi.org/10.1038/s41586-022-04643-y) zeigt aber, dass wir die Debatte differenzierter führen müssen.
Im Kern der Verhaltensstudie (kombinierte Labor- und internationale Feld-Studie) ging es um die Frage, wie sich virtuelles Arbeiten auf die Kreativität von Gruppen (genauer: die kollaborative Erarbeitung von Ideen) auswirkt:
“Here we examine how this shift away from in-person interaction affects innovation, which relies on collaborative idea generation as the foundation of commercial and scientific progress.”
Das Ergebnis der Studie scheint den Befürwortern der Büroarbeit auf den ersten Blick recht zu geben:
“We show that videoconferencing inhibits the production of creative ideas."
Bei genauerer Betrachtung ist dies jedoch nicht mehr so eindeutig:
"We find no evidence that videoconferencing groups are less effective when it comes to idea selection.”
Das Ergebnis gilt tatsächlich nur für Gruppen mit zwei Mitgliedern und nur im Schritt der Ideengenerierung für ein vorgegebenes Problem. Alle anderen Gruppenvarianten und Prozessschritte performen und gelingen “vor Ort” nicht besser als in Videocalls:
In größeren Gruppen kommt vor Ort der Konformitätsdruck zum Tragen, der Kreativität vermindert. Bei 2er-Gruppen ist kein Unterschied zu messen:
“We found that in-person and virtual pairs did not significantly differ in the extent to which they exhibited either form of mimicry”
Bei der Auswahl und der Priorisierung der Ideen schneidet die digitale Variante der Zusammenarbeit besser ab.
Die Qualität und die Rolle der sozialen Beziehungen ist kein Erklärungsfaktor für den Unterschied in der Ideengenerierung (digital, analog):
“We found that participants did not report significant differences in feelings of similarity or liking, or in perceptions of how ‘in sync’ they were as a team by modality”
Die Ursache dafür, dass Kreativität in virtuellen Umgebungen absinkt, ist interessanter Weise in der visuellen Einschränkung des Gesichtsfeldes zu sehen. Bei der virtuellen Zusammenarbeit konzentriert sich der eigene Blick auf das Display (ein Grund dafür, dass analytisches Arbeiten nach dem Schritt der Kreativität virtuell wiederum besser gelingt). Zudem ist es technisch meist nicht möglich, dass sich beide Videocall-Personen direkt in die Augen schauen und Rückmeldungen auf diese Weise empfangen können. Bei der Zusammenarbeit (in 2er-Gruppen) vor Ort fördert der visuelle Anreiz (soziale Interaktion über Mimik und v.a. Gestik und interessanter Weise sogar die Gestaltung der Arbeitsumgebung) Assoziationsketten, die sich dann in leicht erhöhter Kreativität niederschlagen.
Die AutorInnen der Studie appellieren an Arbeitgeber, die Arbeitssituation nach Maßgabe der jeweils Beteiligten und der möglichen Arbeitsumgebungen zu gestalten und keine generelle “one-size-fits-all”-Lösung anzustreben. Büroarbeit hat entgegen der Meinung vieler Menschen (v.a. Führungskräften) also gemäß der Studie nichts mit dem Erhalt sozialer Beziehungen zu tun. Maßgeblich für eine Regelung zum hybriden Arbeiten sollten den AutorInnen nach ganz andere Aspekte sein:
“When determining whether or not to use virtual teams, many additional factors necessarily enter the calculus, such as the cost of commute and real estate, the potential to expand the talent pool, the value of serendipitous encounters, and the difficulties in managing time zone and regional cultural differences”
Quelle: Melanie S. Brucks, Jonathan Levav EN www.nature.com
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