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#Klimakrise: Papst Franziskus kritisiert Wachstums-Ideologie

Ole Wintermann
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Ole WintermannSamstag, 25.11.2023

Heute möchte ich euch mal einen sehr ungewöhnlichen Text vorstellen. Es geht um die Äußerungen des katholischen Papstes in Form eines apostolischen Schreibens zur #Klimakrise unter dem Titel "An alle Menschen guten Willens über die Klimakrise". 

Franziskus verweist deutlicher als dies konservative oder liberale PolitikerInnen bisher jemals getan haben, auf die katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit der Menschen, die Arbeitsplätze, den Zugang zu Ressourcen hin, aus denen sich Zwangsmigrationen ergeben können. Für ihn ist die Klimakrise ein "globales soziales Problem", das vor allem die Menschen betrifft, die über die geringsten materiellen Ressourcen verfügen.

Franziskus ist sehr klar in der Akzeptanz der Realitäten, wenn er schreibt:

"Wie sehr man auch versuchen mag, sie zu leugnen, zu verstecken, zu verhehlen oder zu relativieren, die Anzeichen des Klimawandels sind da und treten immer deutlicher hervor. (...) Ich sehe mich gezwungen, diese Klarstellungen, die offenkundig erscheinen mögen, aufgrund bestimmter abschätziger und wenig vernünftiger Meinungen vorzunehmen, die ich selbst innerhalb der katholischen Kirche vorfinde.

Er kritisiert die Akteure der Debatte, die versuchen, im eigenen Interesse Desinformation zur Klimakrise zu streuen oder auf "das Wetter" verweisen, das auch früher schon kalte und warme Phasen gehabt habe. Die Aktionen der Klimaaktivisten der Letzten Generation oder Extinction Rebellion werden sich künftig auch auf den Papst beziehen können, der sich ähnlich wie diese äußert:

"Wie immer scheinen die Armen schuld zu sein. Aber die Wirklichkeit ist, dass ein kleiner Prozentsatz der Reichsten auf der Erde die Umwelt mehr verschmutzt als die ärmsten 50% der gesamten Weltbevölkerung und dass die Pro-Kopf-Emissionen der reichsten Länder um ein Vielfaches höher sind als die der ärmsten."

In seiner umfassenden Analyse des Ist-Zustandes zeigt der Autor mit den Verweisen auf die Folgen der Klimakrise für die Temperaturentwicklung, die Entwicklung der Eisbedeckungen der Arktis und Antarktis, die Kipppunkte, die Beschleunigung der Erderwärmung, dass er sich auf dem aktuellen Stand der Klimawissenschaft befindet.

Besonders beeindruckt hingegen war ich von seiner klaren Kritik am unreflektierten Technikoptimismus (andere nennen es "Technologieoffenheit") und der Gier nach grenzenlosem Wachstum:

"Im Grunde genommen besteht es (das "technokratische Paradigma") darin, so zu denken, als gingen die Wirklichkeit, das Gute und die Wahrheit spontan aus der technologischen und wirtschaftlichen Macht selbst hervor. Von da aus gelangt man – als logische Konsequenz – leicht zur Idee eines unendlichen und grenzenlosen Wachstums, das die Ökonomen, Finanzexperten und Technologen so sehr begeisterte."

Auch erteilt er der neoklassischen Denkschule der Volkswirtschaftslehre mit ihrer Vorstellung der grenzenlos verfügbaren und gestaltbaren natürlichen Ressourcen eine Absage, wenn er betont:

"Wir können nicht einmal sagen, dass die Natur ein bloßer „Rahmen“ ist, in dem wir unser Leben und unsere Projekte entwickeln, denn wir sind in sie eingeschlossen, sind ein Teil von ihr und leben mit ihr in wechselseitiger Durchdringung."

Im weiteren Verlauf des Textes kritisiert er das Greenwashing der Unternehmen bei Projekten, die die Umwelt stark belasten und die sich dann versuchen, von den Schäden freizukaufen:

"Man denke nur an die kurzlebige Freude über das Geld, das man im Austausch für die Lagerung von Atommüll an einem Standort erhält. Das mit diesem Geld erworbene Haus hat sich in ein Grab verwandelt wegen der Krankheiten, die ausgelöst wurden."

Dem Versuch, mit Hilfe von fossiler Energie "schneller" als die Klimakrise zu sein, wie dies von erdölfördernden Staaten und Unternehmen derzeit - auch mit Blick auf COP 28 - propagiert wird, erteilt er - ganz auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft - eine klare Absage:

"Aber wir laufen Gefahr, in einer Logik des Ausbesserns, des Flickens und des Zusammenheftens gefangen zu bleiben, während im Untergrund ein Prozess der Verschlechterung voranschreitet, den wir weiter fördern."

Als hätte er die Versuche des konservativen und liberalen deutschen Lagers der letzten beiden Jahre, #Klimaschutz als "grüne Ideologie" zu labeln, analysiert, schreibt er gegen Ende des Textes:

"Hören wir endlich auf mit dem unverantwortlichen Spott, der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, „Grünes“, Romantisches darstellt, das oft von wirtschaftlichen Interessen ins Lächerliche gezogen wird."

Der Text bietet Interessierten eine Vielzahl von erwähnenswerten und verwendbaren Zitaten, die sicher so manchen Klimaschutz-Verhinderer oder Klimawandel-Relativiererin überraschen würde. 

Schade, dass der Papst nicht auch in der Frage des Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche einen ähnlich rigiden ethischen Kompass hat. Dieses Defizit könnte der moralischen Wucht dieses Textes durchaus schaden.

#Klimakrise: Papst Franziskus kritisiert Wachstums-Ideologie

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Kommentare 5
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor einem Jahr

    Papst Franziskus erläutert die Vielfachkrise besser als viele andere; sein Ausdruck "Weltkrieg auf Raten" könnte ein zentraler Ausdruck unserer Epoche werden.

    Schon seine Neujahrsansprache war aufregend:
    https://www.piqd.de/ze...
    Auf die neue kann man gespannt sein.

  2. Burkhard Geis
    Burkhard Geis · vor einem Jahr

    Nein, diese Einlassung des Papstes ist viel zu unterkomplex, als dass eine ernsthafte Auseinandersetzung damit lohnt. Und schade auch, dass der Papst bei vielen anderen Themen nicht so klare Worte findet (Beispiele: Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine, Terrorprogrom der Hamas gegen Israel, Mitwirkung von Frauen in der Kirche). Nein - dieser Papst und die katholische Kirche sind keine Autoritäten mehr in der öffentlichen Auseinandersetzung. Burkhard Geis

    1. Berthold Kaufmann
      Berthold Kaufmann · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      Hhhmmm, was heißt hier unterkomplex(?)

      Die wichtigsten Argumente sinnvoll zu referieren, so dass diejenigen aus der katholischen Kirche und den sog. liberal-konservativen Kreisen, die das immer noch leugnen, endlich auch damit konfrontiert werden, ist auf jeden Fall sinnvoll.

      Dass es weitere kritische Themen gibt ist richtig.... wahrscheinlich braucht es da ebenfalls noch viel Zeit bis offene Worte kommen.

      Diese Themen waren hier aber einfach nicht das Thema. Also auch journalistisch gesehen richtig: bleiben wir beim Thema!

      Es sind genau die Leugner, die immer dann, wenn endlich unangenehme Wahrheiten ausgesprochen und angemahnt werden, gerne ablenken und so versuchen die Mahnenden zu diskretitieren.

    2. Ole Wintermann
      Ole Wintermann · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Berthold Kaufmann Volle Zustimmung, Herr Kaufmann. Und zudem ist es ja auch nicht ganz bedeutungslos, wenn das religiöse Oberhaupt einer Weltkirche zu einem drängenden Thema seine kommunikative Reichweite nutzt, um die Klimakrise anzusprechen.

    3. Burkhard Geis
      Burkhard Geis · vor einem Jahr

      @Berthold Kaufmann Unterkomplex heißt, dass die Realität nicht hinreichend differenziert oder sogar falsch dargestellt wird. Das gilt für nahezu alle in dem Beitrag genannten Punkte, darauf intensiv einzugehen, sprengt aber hier den Diskussionsrahmen. Nur kurz: Es gibt kaum noch Klimaleugner, vor allem nicht unter den wichtigen Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft (!), die Volkswirtschaftslehre ist schon viel weiter als hier suggeriert wird, China mit seinem noch immer niedrigen Pro-Kopf-Einkommen trägt insgesamt am meisten zur Klima-Erwärmung bei, Dekarbonisierung, Wirtschaftswachstum, technische Innovationen sind nicht Teile des Problems, sondern Teile der Lösung u.v.a.m. Eine Kirche und ein Papst, die zu den genannten Konflikten jetzt immer noch nicht klar Stellung beziehen, haben sich als moralische Instanz insgesamt desavoiert.

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