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Nach dem Hauptschulabschluss arbeitete Ertle auf dem Bau, im Supermarkt und bei der Hundesteuer. Irgendwann fing er an zu schreiben, holte das Abi nach, studierte Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft und lebt heute als Autor und Journalist in Dresden.
Seine Reportagen und Interviews erscheinen u.a bei: Tagesspiegel, Galore, Süddeutscher Zeitung und dem SZ-Magazin.
Wäre dieser Text über das Selbstverständnis der Linken in der WELT oder einem sonstigen Erzeugnis des Springer-Konzerns erschienen, wäre es einfach, die Nase zu rümpfen und über die Heuchelei der Golfclubterrassenetage zu schimpfen.
Er erschien aber in der taz und ist von Arno Frank, das sind schon mal zwei gute Argumente, um zumindest mal reinzulesen.
Es geht um die Entfremdung der Linken und ihrer eigentlichen/angebliche/ehemaligen Zielgruppe - den Arbeitern. Spätestens seit diese sich massenweise von der SPD ab- und der AfD zugewandt haben, dürfte klar sein, dass zwischen der Selbstwahrnehmung der Linken und der Fremdwahrnehmung ein bedenklicher Abgrund existiert, der erkennbar größer wird.
Man kann das nun natürlich wortreich mit Selbstverblendungstendenzen der Arbeiter bzw. des Proletariats erklären, aber nicht nur Arno Frank beschlich schon im Studium ein Gefühl, dass Selbstverblendung ein Phänomen sein könnte, das nicht vor dem linksliberalen Milieu Halt macht.
Von diesem Befund ausgehend betrachtet Frank die Lebenswirklichkeiten zweier Welten, die, wenn man ehrlich ist, immer weniger miteinander kommunizieren und sich höchstens in der U-Bahn begegnen.
Nun wäre das für sich genommen noch keine Tragödie. Milieus bleiben, wenn man ehrlich ist, schon immer gern unter sich.
Problematischer als die Entfernung in der Lebenswirklichkeit ist vielleicht eine mentale Entfernung, die sich darin ausdrückt, dass sich das Justemilieu dieser Fremdheit zwar bewusst ist, aber daraus einen problematischen Schluss zieht. Nicht etwa den, sich den sogenannten kleinen Leuten wieder anzunähern, sondern sich immer mehr in die wohlige Ecke des Gefühls zurückzuziehen, zwar keine Mehrheiten mehr zu erreichen, aber ganz zweifellos recht zu haben, auch wenn diese Meinung auf die eigene Filterblase beschränkt bleibt.
Ganz sicher ist sich Arno Frank am Ende auch nicht, aber beim nochmaligen Durchlesen seines Textes könnte man geneigt sein dem Befund zuzustimmen.
Lesenswert.
Quelle: Arno Frank Bild: Karsten Thielker taz.de
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Es soll um die gebildete Linke gehen, aber ich lese im Artikel mehr eine Reihung von sehr verbreiteten Klischees über die ach so weltfremden Studenten, die selbst nie gearbeitet haben und meinen, sie wüssten Bescheid. Nur dass es in meinem studentischen Umfeld damals nur wenig solche Leute gab.
Während meiner Studienzeit haben die meisten arbeiten müssen, um ihr Leben zu finanzieren. Manche taten das sicherlich im akademischen Umfeld selbst, aber sehr viele haben auch irgendwo niedriglohnig gejobbt.
Auch fand ich meine KommilitonInnenüberwiegend relativ unpolitisch. Mag an den Zeit gelegen haben, Anfang/Mitte 2000er. Der Begriff Arbeiterschaft wurde quasi nicht verwendet und Umerziehungsgedanken habe ich auch nicht gehört. Da gab es gar keine Ambitionen, im Gegenteil, auf die unteren sozialen Schichten wurde auch von Linken eigentlich oft sehr herabgeblickt und die Betreffenden eher verlacht und als hoffnungslos und irgendwie irrelevant angesehen. Diese arrogante Haltung den sogenannten Unterpriviligierten, den Harzern und Nichtwählern, gegenüber war ja auch außerhalb der Unis sehr präsent. Das muss sehr viel Verletztheit und Wut erzeugt haben.
Ich glaube übrigens, dass das heute wieder anders ist. Hippe Linke, die alles für Kulisse halten? Na ja, in meinem Umfeld sind die Linken eigentlich gerade eher ernst und in Weltuntergangsstimmung.
Das abstrakte Problem ist relevant, allerdings entspricht der konkrete Text nicht meinen Erinnerungen. Linke Studenten, die sich in den 1990er Jahren (!) privat trafen, um sich vertieft mit Trotzki zu beschäftigen, scheinen mir eher die Ausnahme als die Regel zu sein. In freier Wildbahn traf ich sie nicht und der Autor hatte, wie er schreibt, keine Zeit dafür.