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Barbara Erling ist eine polnische Multimedia-Journalistin, die für das Technologiemagazin Spider's Web+ und die britische Tageszeitung Financial Times arbeitet. In den letzten acht Jahren hat sie sowohl in polnischen als auch in ausländischen Medien Erfahrungen gesammelt. Sie arbeitete für das Magazin Press, für das sie über die Medienbranche berichtete, für die Tageszeitung Gazeta Wyborcza, bei der sie als Stipendiatin der Google News Initiative tätig war, für CNN Indonesia und das polnische Fernsehen. Erling ist spezialisiert auf Datenjournalismus, Technologie und Wirtschaftsberichte.
Barbara Erling kuratiert für piqd Beiträge aus Polen.
In Polen werden nur sieben Prozent der Abwässer aus häuslichen Klärgruben in die Kläranlagen geleitet. Jedes Jahr schütten die Menschen so viel Abwasser wie die Hälfte des größten Sees in Polen, Śniardwy, in die Felder und Wälder. Das ist billiger, als es in Kläranlagen zu entsorgen. Mit den Mitteln aus dem EU-Konjunkturprogramm für Europa sollte ein Teil der Gelder für die Verbesserung des Abwassersystems in Polen bereitgestellt werden. Da die polnische Regierung jedoch darum kämpft, die Mittel zu erhalten, werden die Abwässer aus den häuslichen Klärgruben weiterhin die Umwelt verschmutzen. Es ist wichtig, Licht in diese Angelegenheit zu bringen, da die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten bisher keine Verpflichtung auferlegt hat, das Grundwasser auf "neue Schadstoffe" zu überwachen. Am häufigsten werden entzündungshemmende Medikamente – Paracetamol und Ibuprofen – nachgewiesen. Dann gibt es noch Antibiotika – sowohl für Menschen als auch für Nutztiere. Ohne die Einleitung von Abwässern in die Wälder zu stoppen, ist es unmöglich, die Medikamente im Wasser, das wir alle trinken, loszuwerden. Da Polen das Nachbarland von Deutschland ist, ist es wichtig, über solche Aktivitäten Bescheid zu wissen. Wir haben am Beispiel der Oder gesehen, dass die Grenze nur ein Vertrag ist, aber was wir der Umwelt antun, hat keine Grenzen.
Nur sieben Prozent aller Abwässer aus Klärgruben kommen in den Klärwerken an. Wo fahren die Abwasser-Saugwagen denn hin? In den Wald.
Von Marcin Wójcik
Ein Gemeindevorsteher aus Südpolen berichtet:
„Wir haben kein Geld für die Modernisierung oder den Neubau eines Klärwerks. Wir kommen kaum damit hinterher, das Abwasser aus der Kanalisation anzunehmen. Wie sollten wir da die Menschen dazu anhalten, uns noch ihr Klärgrubenabwasser zu bringen? Wo soll das alles hin? In Sauerkrautfässer?“
„Wildschweine haben sich an meiner Wiese mitten im Dorf zu schaffen gemacht. Sie haben die Erde tief aufgewühlt – so ein verdammter Mist. Und die Wiesen der Nachbarn waren unberührt, was komisch war. Ein Jäger kam, um den Schaden für die Versicherung zu schätzen. Er sagte mir, dass meine Wiese deshalb verwüstet worden sei, weil ich kein Klärgrubenabwasser drauf entsorge. Wildschweine mögen es nicht, wenn die Erde mit menschlichen Exkrementen getränkt ist“,
erzählt Michał, der in einem Dorf in der Nähe von Ciechanów lebt.
Paweł lebt in einem Dorf bei Łowicz.
„Am schlimmsten ist es im Frühjahr. Die Landwirte gießen massenweise Klärgrubenabwasser auf die Felder. Die denken, alles wächst besser auf ihren Kackhaufen. Man kann nicht über die Wiesen laufen, weil sie ganz dicht mit den Ausscheidungen der Nachbarn und Toilettenpapier bedeckt sind. Und sobald Gras wächst, kommen die Kühe auf die Wiesen und kauen dieses Papier.“
Wen kümmern schon menschliche Ausscheidungen auf den Feldern?
Ich rufe die Agentur für Restrukturierung und Modernisierung der Landwirtschaft (Agencja Restrukturyzacji i Modernizacji Rolnictwa) in Warschau an. In der Pressestelle bekomme ich zu hören, dass die Agentur nicht für Klärgrubenabwässer zuständig sei. Die Strafverfolgung derjenigen, die mit Klärgrubenabwässern ihre Böden düngen, sei Aufgabe der Gemeinden. Die Agentur könne nur Strafgelder verhängen, wenn die Jauche außerhalb der vorgesehenen Zeiträume ausgegossen werde, also im Winter, weil die Jauche dann nicht in der Erde versickert, sondern in die Flüsse abfließt.
Paweł aus der Nähe von Łowicz fragt: „Der Staat hat seine Zuständigkeiten für Kacke also aufgeteilt? Wegen menschlicher Kackhaufen sollen wir die Gemeinde anrufen, aber uns bezüglich der Kuhfladen an die Agentur [in Warschau] wenden?“
„Sickergruben sind die größte tickende Zeitbombe für die Umwelt“, räumt Wojciech Witowski ein. Er ist Chef des Start-ups Ścieki Polskie (Polnische Abwässer) aus Poznań.
„Bei den Klärwerken kommen nur 7 Prozent der Abwässer aus privaten Klärgruben an. Jährlich wird so viel Klärgrubenabwasser auf Feldern und in Wäldern entsorgt, wie die Wassermenge des halben Sees Śniardwy, des größten polnischen Sees, beträgt. Es ist 30 Mal so viel Abwasser, wie bei der Störung der Kläranlage ‚Czajka‘ [im Jahr 2020] in Warschau ausgetreten ist.“
„Wie viele Häuser sind an die kommunale Kanalisation angeschlossen?“
„Schätzungsweise ein Drittel der Häuser.“
„Es gibt noch viele Haushalte, die keine geschlossenen Klärgruben haben, in 40 Prozent aller Fälle gibt es lediglich drei bis vier Sickerschächte ohne Boden, die in die Erde eingelassen sind. Das ist zwar kaum zu glauben, aber oft sehen wir auch nur einfache Gruben ohne Abdeckung, in die das Abwasserrohr aus dem Gebäude eingeleitet wird“,
ergänzt Mirosław Zegarek. Er arbeitet für eine Firma, die Klärgruben aus Betonfertigteilen herstellt.
Das renommierte Wörterbuch der polnischen Sprache aus dem PWN-Verlag erläutert die Terminologie:
Das [polnische] Umweltschutzgesetz von 1996 schreibt den Gemeinden Kontrollen über die Häufigkeit der Klärgrubenleerungen vor. Einwohner sollen dazu einen Nachweis über die Dienstleistung sowie einen Vertrag mit dem ausführenden Entsorgungsunternehmen vorlegen. Aus einem Bericht des Obersten Rechnungshofes in Polen (Najwyższa Izba Kontroli) geht hervor, dass 90 Prozent der Gemeinden diese Kontrollen nicht durchführen.
Grzegorz (Woiwodschaft Masowien): „Gemeinden kontrollieren Klärgruben? Echt jetzt?“
Iwona (Woiwodschaft Kleinpolen): „In diesem Haus wohnte meine Großmutter, später meine Eltern und jetzt wohne ich mit meinem Mann hier. Es gab hier noch nie eine Klärgrubenkontrolle. Ich höre zum ersten Mal, dass es so was gibt.“
Kazimiera (Woiwodschaft Schlesien): „Auf der einen Seite der Straße haben die Leute Kanalisationsanschluss, auf der anderen gibt's nur Klärgruben. Ich habe hier noch nie einen Abwasser-Saugwagen vorfahren gesehen.“
Ich habe bei 22 Gemeinden angefragt, ob sie überprüfen, was die Einwohner mit ihren Abwässern machen.
13 von ihnen haben geantwortet.
Die Gemeinde Miłki (Woiwodschaft Ermland-Masuren) verfügt über keine Informationen zu der Art der Abwasserableitung aus einzelnen Immobilien.
Die Gemeinde Moskorzew (Woiwodschaft Heiligkreuz) erarbeitet gerade einen Ablaufplan für die Kontrollen.
Die Gemeinde Raba Wyżna (Woiwodschaft Kleinpolen) führt anlassbezogene Kontrollen durch, also nach Hinweisen durch die Nachbarn.
Die Gemeinde Tarłów (Woiwodschaft Heiligkreuz) kontrolliert nicht, ob und wenn ja, wohin die Bewohner ihre Abwässer entsorgen.
Die Gemeinde Zbójno (Woiwodschaft Kujawien-Pommern) führt „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ Kontrollen auf den Grundstücken durch. Im Jahr 2020 wurden 18 Häuser kontrolliert, 2021 waren es 35 und 2022 waren es 75. Die Kontrolle besteht aus einer Überprüfung der Rechnungen für die Entsorgung sowie des Vertrags mit dem ausführenden Unternehmen.
Die Gemeinde Jeżewo (Woiwodschaft Kujawien-Pommern): Im Jahr 2020 haben der Behörde 91 Prozent der Einwohner Informationen über die Art der Entsorgung samt einem Nachweis vorgelegt. „Bei ungefähr 200 Haushalten haben wir nicht genügend Informationen über die Art der Entsorgung der Abwässer – aber ein großer Teil von ihnen befindet sich in Mehrfamilienhäusern, die an die Kanalisation angeschlossen sind.“
Die Gemeinde Wydminy in den Masuren kontrolliert gar nicht. Ohnehin sind die Masuren ein Negativbeispiel im Bericht des Obersten Rechnungshofes: „Die Abwasserinfrastruktur, die von den Gemeinden in der Region der Großen Masurischen Seen geführt wird, kann nicht im ausreichenden Maße die Gewässerverschmutzung und -verunreinigung verhindern. Grund dafür ist eine mangelnde Kontrolle über die Entsorgung der Abwässer aus Klärtanks.“
Der Gemeindevorsteher Radosław Król aus Wydminy sagt:
„In der Umweltabteilung arbeitet lediglich ein Sachbearbeiter, weil es keine Mittel für weiteres Personal gibt. Wir kontrollieren nur dann, wenn die Einwohner Zuschüsse beantragen oder Umbauten durchführen – Wir bitten sie dann um Vorlage der Rechnungen und Verträge für die Entsorgungen. Es ist schwer zu berechnen, wie viel Abwasser pro Haushalt anfallen sollte. Selbst der Wasserverbrauch ist keine Grundlage, da der Besitzer immer erklären könnte, er habe das Wasser für die Gartenbewässerung verbraucht. Außerdem haben wir keine rechtlichen Möglichkeiten, um ein privates Grundstück zu betreten und zu überprüfen, ob die Klärgrube auch dicht ist. Dies könnte die Gemeindepolizei machen, aber auch das kostet Geld. Die Lösung wäre – dort, wo möglich – vorzugeben, dass auf dem Grundstück eine Kleinkläranlage gebaut werden muss."
Wojciech Witowski vom Start-up Ścieki Polskie entgegnet: „Es ist die Aufgabe der Gemeindeverwaltung zu verhindern, dass die Einwohner Abwasser selbst entsorgen. Aber kein Gemeindevorsteher begibt sich auf Kriegsfuß mit den Bürgern, weil sie ihn dann für keine weitere Amtszeit wählen würden.“
Wojciech Witowski hat versucht zu untersuchen, wie viel des Abwassers von privaten Klärgruben in Klärwerken ankommt.
„Auf Basis der gesammelten Daten kommen wir zu dem Schluss, dass die Menge des Abwassers, die zu den Klärwerken kommt, lediglich 7 Prozent der Gesamtmenge des Abwassers beträgt, die produziert wird. Der Rest wird in der Umwelt entsorgt.“
„Wie kommen Sie auf diese Zahlen?“
„Unter anderem anhand der Daten des Statistischen Zentralamtes (Główny Urząd Statystyczny) aus den vergangenen Jahren. Ungefähr eine Milliarde Kubikmeter Wasser gelangt zu den Haushalten, die an eine Kanalisation angeschlossen sind – und annähernd dieselbe Menge Abwasser wird von dort abgeleitet. Ungefähr 350 Millionen Kubikmeter Wasser fließt zu den Haushalten ohne Kanalisation. Und die Abwassermenge von dort umfasst lediglich ca. 30 Millionen Kubikmeter. Es werden also nur etwa 7 Prozent der Menge entsorgt, die zu erwarten wäre. Ein Teil versickert sofort, weil die Besitzer, um Geld zu sparen, Löcher in ihre betonierten Klärgruben machen. Ein Teil geht auf dem Weg zwischen der Abholung durch den Abwasser-Saugwagen und dem Klärwerk verloren.“
„Die Entsorgungsunternehmen gießen die Abwässer auch im Wald aus, anstatt sie ins Klärwerk zu bringen?"
„Wenn ein Max Mustermann einer Firma pro entsorgtem Kubikmeter 30 PLN [1 PLN = 0,212 EUR, Anm. d. Red.] zahlt, muss die Firma 10 PLN davon an das Klärwerk zahlen. Jeder Kubikmeter, der das Klärwerk nicht erreicht, bedeutet einen Gewinn für die Firma. Ähnlich ist es mit dem Klärschlamm aus Kleinkläranlagen. Diesen muss man ungefähr einmal pro Jahr entsorgen lassen. Für so eine Dienstleistung berechnet die Firma etwa 50 bis 100 PLN pro Kubikmeter. Also vermischen die Entsorgungsfirmen den Klärschlamm mit normalem Abwasser aus Klärgruben, damit sie beim Klärwerk weniger für die Ablieferung bezahlen müssen – obwohl ihnen Max Mustermann für diese Dienstleistung 50 bis 100 PLN bezahlt hat. Ein weiteres Problem ist, dass die Abwasserentsorgung nicht im Steuersystem auftaucht. Ein Fahrer, der Abwasser abholt, muss keinen steuerlich nachverfolgbaren Zahlungsbeleg dalassen, es genügt eine einfache Rechnung, eine Quittung, egal was. So ein Beleg ist für den Fiskus nichts weiter als ein unbrauchbares Stück Papier. Das ist auch konform mit der Sauberkeitsverordnung (Gesetz zur Erhaltung von Sauberkeit und Ordnung in den Gemeinden). Bis jetzt hat sich niemand diesem Problem angenommen.“
Die Klärwerke sind dazu verpflichtet, bei jeder Lieferung eine ganze Reihe von Informationen von den Entsorgungsfirmen einzuholen.
Wojciech Witowski:
„Jeder Fahrer muss Angaben dazu machen, um was für Abwasser es sich handelt: Industrieabwasser oder Abwasser aus einfachen Klärgruben. Die Adresse des Abholortes, Angaben zu dem Vertrag zwischen der Firma und dem Kunden, Angaben zur eigenen Firma. Ich habe es noch nie gesehen, dass jemand das alles angegeben hätte. In einer Kläranlage haben wir die Angaben für das gesamte Jahr angeschaut. Es stellte sich heraus, dass das meiste Abwasser aus der Aroniowa Straße 1 stammte, ungefähr 3.000 Kubikmeter. Aber in der Aroniowa Straße 1 stand nur ein einziges Einfamilienhaus. Die Abwassernorm für so ein Haus liegt bei 100 Kubikmetern pro Jahr. Die Fahrer haben einfach jedes Mal die erstbeste Adresse auf der Liste angekreuzt, weil sie wussten, dass sie sowieso niemand kontrollieren wird. Übrigens war das besagte Einfamilienhaus an die Kanalisation angeschlossen. Einen Sachbearbeiter in der Gemeindeverwaltung sollte es schon wundern, dass ein Einfamilienhaus jährlich 3.000 Kubikmeter Abwasser produziert. Niemanden machte das stutzig – weder die Gemeinde noch das Klärwerk. Die Klärwerke heben die Angaben nur eine Weile auf, danach werden sie vernichtet. In Polen lässt sich alles zählen und nachverfolgen: Wasser, Strom, Art der Heizanlage und des Brennstoffs – aber nicht das Abwasser.“
„Haben Sie denn eine Idee, wie man das nachverfolgen könnte?"
„Vielleicht sollte das Abwasser über eine Steuer bezahlt werden?“
„Und mit was beschäftigt sich Ihr Start-up gerade?"
„Wir arbeiten an einer App, mit der sich der Weg des abgeholten Abwassers nachverfolgen lässt. Damit es nicht mehr im Wald landet oder im See, wo ich viel Zeit verbringe.“
Gemäß dem Gesetz zur Erhaltung von Sauberkeit und Ordnung (Ustawa o utrzymaniu czystości i porządku w gminach) obliegt es dem Gemeindevorsteher, alle zwei Jahre alle Unternehmen, die mit Saugwagen Abwasser entsorgen, zu kontrollieren.
Die Gemeinde Samborzec hat diese Kontrolle dieses Jahr zum ersten Mal durchgeführt. Die Gemeinde Rogowo hat so eine Kontrolle noch nie vorgenommen. Ähnlich ist es in den Gemeinden Cieszków, Miłki, Moskorzew und Tarłów.
Auf die Fragen zu Kontrollen der Entsorgungsunternehmen und der privaten Klärgruben haben folgende Gemeinden gar nicht geantwortet: Piszczac, Osięciny, Węgliniec, Ornontowice, Bielsk Podlaski und Niegowa.
Ich rufe Grzegorz an, der Abwasser in der Gemeinde Stare Juchy in den Masuren entsorgt.
„Ich habe ein Haus am See“, gebe ich vor. „Könnten Sie diese Woche mein Abwasser absaugen kommen?“
„Ja. Freitag geht.“
„Wie viel kosten sechs Kubikmeter?“
„Das wird 170 PLN kosten.“
„Und wär's denn billiger, wenn Sie mir das vielleicht hinterm Haus entsorgen? Ich hab' da einen Hektar jungen Wald.“
„Nein, das mache ich nicht. Das ist verboten.“
„Auf meine Verantwortung hin?“
„Nein, das mache ich nicht.“
Ich gebe mich als Journalist zu erkennen und gratuliere ihm zu seiner Anständigkeit. Grzegorz erzählt, dass ihm nicht die anderen Entsorgungsunternehmen, sondern die Landwirte Konkurrenz machen. Das läuft dann so ab: Der Besitzer ruft einen Landwirt an. Der kommt mit einem Güllefass, saugt das Abwasser ab und bringt es auf seine Felder.
„Der Bauer nimmt 50 PLN oder eine Flasche Wodka für die Entsorgung, keine 170 PLN, wie die Entsorgungsfirmen. Für den Besitzer der Klärgrube ist das gespartes Geld. Er bedenkt nicht, dass sein Abwasser im Trinkwasser oder in der Ernte vom Feld des Bauern wieder zu ihm zurückkommen kann.“
Auf der Homepage der Firma ABC Szamba Betonowe (ABC Betonklärgruben) habe ich eine Anleitung gefunden: „Wie sich die Klärgrube weniger häufig leeren lässt“. Man muss sich also einen Tank mit zwei oder drei Kammern zulegen und in die letzte ein Loch bohren, in das man ein Ableitungsrohr setzt. „Bitte bedenken Sie, dass das eine ideale Lösung bei trockenen Gebieten ist. Aber auch bei halbfeuchten Gebieten ist es anwendbar – vorausgesetzt, Sie haben einen Entwässerungsgraben. Gestein und grobe Steine halten das Grundstück trocken, überschüssiges Abwasser sickert in den Boden, bevor es den Graben erreicht.“
Ich schicke per E-Mail eine Anfrage an die Firma. Ist dieser Tipp mit den Gesetzen vereinbar? Mirosław Zegarek antwortet: „Ich hatte keine Kenntnis darüber, dass sich so ein Text auf unserer Homepage befindet. Im Jahr 2014 haben wir einige Textbeiträge in Auftrag gegeben, die unsere Produkte bewerben sollten, aber ich dachte, sie würden auf externen Seiten veröffentlicht und von engagierteren Werbetextern geschrieben. Der Beitrag ist von außerordentlich schlechter Qualität. Meines Erachtens sollte er überhaupt nicht auf unserer Internetseite stehen. Ich habe ihn jetzt auf die Schnelle überarbeitet, aber ich werde ihn vermutlich bald ganz von der Seite runternehmen.“
Menschliche Fäkalien treiben in den Masurischen Seen. Nur 45 der 161 Häfen bieten die Möglichkeit zum Abpumpen der Abwassertanks von Booten an. Während der Hochsaison sind 14.000 Boote auf der Masurischen Seen Route unterwegs. Abgesehen von den Abwässern aus Toiletten, leiten die Touristen auch Fäkalien von Tieren, Spülwasser und Abwasser vom Zähneputzen oder Haarwäschen ab (ganz zu schweigen davon, dass sie in die Seen steigen und sich dort mit Seife waschen – was verboten ist, man darf lediglich einen Schwamm benutzen).
Magdalena Fuk, Vorsitzende der Stiftung Fundacja Ochrony Wielkich Jezior Mazurskich (Stiftung zum Schutz der Großen Masurischen Seen), hat in einer Ausgabe der Tageszeitung „Wyborcza“ für die Region Olsztyn Alarm geschlagen:
„Leider gibt es zurzeit keine Möglichkeit, das Ableiten von Abwässern aus Jachten ins Wasser zu kontrollieren und zu bestrafen. Weder die lokalen Verwaltungen noch die Ordnungskräfte sind in der Lage, das zu kontrollieren. Wir sind auch nicht in der Lage, jemanden zur Nutzung der Abpumpanlagen zu zwingen. Wir haben mit Tourismusorganisationen darüber gesprochen, dass die Bootsverleihe Kautionen einbehalten. Um diese zurückzubekommen, müssten die Mieter der Boote durch ein Dokument nachweisen, dass sie die Abwässer ordnungsgemäß abgepumpt haben.“
Über die Fäkalien im See ist Jolanta Piotrowska, Mitglied im Verwaltungsrat der Woiwodschaft Ermland-Masuren, entrüstet. Vor zwei Jahren hat sie gesagt, dass das Problem auf Regierungsebene gelöst werden müsse – mit einem Gesetz und einer Verfügung: „In vielen Ländern sind die Ablassventile der Jachten verplombt. Wird dieses Siegel beschädigt, kostet das, zum Beispiel in der Schweiz, gleich mehrere Tausend Euro“. Ich frage Jolanta Piotrowska heute, ob sie schon was erreichen konnte.
„In diesem Jahr hat die Woiwodschaftsverwaltung zwei strategische Projekte angenommen. ‚Hygiene der Großen Masurischen Seen‘ und ‚Grüne Struktur der Großen Masurischen Seen‘. Es geht unter anderem darum, dass die masurischen Häfen mit geeigneter Infrastruktur ausgestattet werden, um Abwasser von Jachten aufnehmen zu können. Selbst die restriktivsten Vorschriften würden nichts ohne diese Infrastruktur bringen. Aber die Verschärfung der Gesetze ist notwendig. Leider habe ich keine Kenntnis darüber, ob aktuell bereits die Arbeiten an solchen Gesetzen laufen.“
Lokale Verwaltungen sagen, dass es nicht genügend Klärwerke gibt. Und die, die in Betrieb sind, überlastet seien. Ein Gemeindevorsteher aus Südpolen:
„Wir haben kein Geld für die Modernisierung oder den Neubau eines Klärwerks. Wir kommen kaum damit hinterher, das Abwasser aus der Kanalisation anzunehmen. Wie sollten wir da die Menschen dazu anhalten, uns noch ihr Klärgrubenabwasser zu bringen? Wo soll das alles hin? In Sauerkrautfässer?“
Ein Gemeindevorsteher aus Masowien:
„Die Kosten für eine Modernisierung der Kläranlage betragen 10 Millionen. Woher soll ich das nehmen, wenn ich noch nicht mal weiß, ob es für die Straßenbeleuchtung und Heizkosten der Schule reicht? Ich kann nicht von allen Einwohnern fordern, dass sie ihre Abwässer in die Kläranlage bringen, weil es dafür schlicht keinen Platz gibt.“
Der Leiter einer kommunalen Kläranlage in Südpolen:
„Mit den angelieferten Abwässern gibt es nur Probleme. Verschmutzungen, die in der Kanalisation treiben, zersetzen sich und reichern sich mit Sauerstoff an. Der Schmutz, den die Saugwagen bringen, ist verklumpt. Oft verweigern wir die Annahme, damit die Kläranlage nicht überlastet wird.“
„Wohin fährt der Saugwagen dann?“
„Der sucht ein anderes Klärwerk. Aber nur eins, das in der Nähe ist, wegen des Benzins.“
„Und wenn er keins findet?“
„Dann fährt der Wagen in den Wald.“
„Lehnen sie viele Saugwagen pro Woche ab?“
„Die meisten im Winter. Dann ist unsere Kanalisation wegen der Skitouristen überlastet. Es kam schon vor, dass wir gar nichts annehmen konnten.“
Wojciech Witowski von Ścieki Polskie: „Die Klärwerke sind bis zum Anschlag voll mit Abwässern. Viele von ihnen geben schon keine Promessen mehr an Entsorgungsunternehmen aus. So eine Zusage ist notwendig, wenn die Firma im Gemeindeamt eine Erlaubnis zur Abwasserentsorgung beantragt.“
„Gibt die Europäische Union keine Mittel für den Bau neuer Klärwerke?“
„Das fragen mich die lokalen Verwaltungen oft. Die EU gibt nicht mehr so viel wie früher. Und die Kosten sind immens. Allein die Kanalisation ist teuer. Die Verlegung von einem 1 Meter kostet 1200 PLN.“
Rafał Bonter von Xylem Water Solutions Polska, einer Firma, die seit über 100 Jahren in der Abwasserbranche tätig ist, sagt:
„Die polnische Regierung hat Probleme damit, Gelder aus dem europäischen Aufbaufonds zu erhalten. Es sollten 160 Milliarden Euro sein. Davon war ein Teil für den Ausbau der Kanalisation vorgesehen. Wenn wir diese Gelder nicht erhalten, kann es dazu kommen, dass die Abwässer aus den privaten Klärgruben weiterhin die Umwelt, und damit uns, vergiften werden.“
„Es gibt ein noch größeres Problem als private Klärgruben. Wer kontrolliert die Industrie?“, fragt Rafał Bonter. „Ścieki Polskie haben eine Studie über industrielle Abwasserschleusen durchgeführt. Unter den 17.000 kontrollierten Schleusen hatten fast 1.400 keine Erlaubnis, Abwasser in die Umwelt abzulassen. Erst nach der Oder-Katastrophe hat die polnische Umweltministerin Anna Moskwa verkündet, dass sie 250 Millionen PLN für die Einführung eines Überwachungssystems für die industriellen Kläranlagen bereitstellt. Das ist eine gute Idee. Lieber spät als nie.“
Der Leiter der Kläranlage führt aus: „Die Saugwagen kommen mit vermeintlich normalem Abwasser an und dann stellt sich heraus, dass es Industrieöle sind. Sie mischen das – Max Mustermanns Abwasser und Abwasser aus der Fabrik. Kleine Klärwerke haben keine Mittel, um so was zu merken. Mit Ölen verunreinigtes Klärwasser fließt dann in die Flüsse.“
„Ist es nun geklärt oder verunreinigt?“
„Geklärtes Abwasser ist gereinigtes Abwasser, was der Umwelt wieder zugeführt werden kann. Aber wie soll man da von gereinigtem Wasser sprechen, wenn es doch mit einem großen Fettfilm drauf wieder in den Fluss fließen muss, weil uns der Entsorger hinters Licht geführt hat?“
Abwasser, das auf den Feldern entsorgt wird, gelangte ins Grundwasser, aus dem wiederum Brunnen gespeist werden. Im Abwasser befinden sich Fäkalien, Haushaltschemikalien, Viren und Bakterien wie Kolibakterien oder Salmonellen.
Rafał Bonter von Xylem: „Im Abwasser finden sich immer mehr Reste von Medikamenten, die wir einnehmen. Nur einige moderne Klärwerke sind in der Lage, sie rauszufiltern. Dabei geht es doch darum, dass das Klärwasser, das in die Umwelt und somit in die Landwirtschaft gelangt, frei von Medikamentenrückständen ist. Wenn es davon nicht gereinigt ist, nehmen wir diese Substanzen wieder in Form von Blättern, Knollen und Stängeln auf. Es besteht auch das Risiko, dass die Substanzen ins Grundwasser kommen. Das Vermischen der Medikamentenrückstände mit industriellem Abwasser kann dazu führen, dass sich Radikale bilden – Verbindungen, die die Entstehung von Krebs begünstigen.“
„Kontrolliert jemand die Medikamente in den Abwässern?“
„Hierzulande gibt es keine Abwasserstrategie, die es sich zum Ziel setzen würde, die potenziellen Auswirkungen der entstandenen Verbindungen aus Medikamentenrückständen und Abwässern auf unsere Gesundheit zu untersuchen.“
„Kaum zu glauben, dass Medikamente in der Erde und im Wasser nicht kontrolliert werden.“
„Aber so ist es.“
Ich schreibe das Staatliche Geologische Institut (Państwowy Instytut Geologiczny) an. Es überwacht das Grundwasser. Die Antwort fällt kurz aus: „In Polen wird das Durchsickern von Medikamentenrückständen in unterirdische Gewässer nicht systematisch untersucht.“
Ich erhalte auch eine interne Publikation zum Thema „neuartige Schadstoffe“, womit Pharmazeutika, Hygieneprodukte, Pflanzenschutzmittel sowie polyfluorierte Alkylverbindungen, die bei der Produktion von Outdoorkleidung oder Löschschaum verwendet werden. Ich lese dazu: „‚Neuartige Schadstoffe‘ sind unter chemischen Gesichtspunkten komplexe, synthetische, organische Substanzen, die entweder aufgrund von eingeschränkten Analysemethoden bisher nicht bestimmt werden konnten oder erst seit Kurzem in den Gewässern gefunden werden. Diese Verbindungen sind oft toxisch und können eine Bedrohung für Wasserorganismen und die menschliche Gesundheit darstellen, indem sie unter anderem hormonelle, metabolische, neurologische oder immunologische Veränderungen verursachen. Für viele von ihnen sind die zulässigen Konzentrationswerte im Grundwasser noch nicht bestimmbar“.
Dazu frage ich Rafał Bonter von Xylem: „Besteht also ein Risiko, dass das von der Gemeinde zur Verfügung gestellte Wasser aus dem Wasserhahn Medikamentenrückstände enthält, weil die Menschen ihr Abwasser auf den Feldern entsorgen und die Klärwerke nur zum Schein Wasser klären?“
„Ja, leider ist die Situation so. Das Problem des Wasserkreislaufs und auch zugleich des Abwasserkreislaufs sehen wir zunehmend kritisch.“
Wie ich vom Staatlichen Geologischen Institut erfahre, hat die Europäische Kommission die Mitgliedsstaaten bislang noch nicht dazu verpflichtet, das Grundwasser hinsichtlich „neuartiger Schadstoffe“ zu überwachen.
Łukasz Weber ist ein unabhängiger Experte für Wasseraufbereitung. Er äußerte sich zu den Untersuchungsergebnissen, die nachweisen, dass sich Pharmazeutika im Wasser befinden.
„Man hat sie in Klärwasser und in Oberflächengewässern nachgewiesen. Die Mengen waren so hoch, dass sie recht gut nachweisbar waren.“
„Was sind denn das für Pharmazeutika?“
„Unter den am häufigsten nachgewiesenen waren entzündungshemmende Stoffe wie Paracetamol und Ibuprofen. Dann Antibiotika – sowohl die für Menschen als auch die für Haustiere. Wir finden Medikamente gegen Bluthochdruck und eine ganze Reihe von Antidiabetika. Darüber hinaus weisen die Tests Hormone nach, Konservierungsstoffe aus Kosmetika, Insektenschutzmittel, die man als Spray verwendet – und die beim Duschen abgewaschen werden. Sie landen in der Kanalisation, dann im Klärwerk, wo sie aber nicht rausgefiltert werden. Alles, was antibiotisch ist, kann grundsätzlich nicht gereinigt werden, weil es die Bakterien in den Kläranlagen nicht zersetzen können. Es gibt zwar Methoden, wie man diese Stoffe rausfiltern kann, aber sie sind energieaufwendig und kompliziert. Es gibt auch auseinandergehende Bewertungen hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Methoden.“
Das Nationale Zentrum für Forschung und Entwicklung (Narodowe Centrum Badań i Rozwoju) arbeitet gerade an einem Klärwerk der Zukunft. Eine seiner Hauptaufgaben wird das Herausfiltern von Pharmazeutika aus Abwässern sein.
„Besteht das Risiko, dass im Trinkwasser aus dem Hahn Medikamentenrückstände sind? Überwachen die Wasserwerke das?“
„Niemand wird dazu gezwungen, nach Pharmazeutika im Wasser zu suchen. Wenn es keine Normen dazu gibt, gibt es auch keine Vorschriften. Wir nehmen uns diesem Problem erst an.“
Łukasz Weber betont, dass die Pharmazeutika im Wasser im Nanogrammbereich liegen, was bedeutet, dass wir mehrere Tausend Liter Wasser auf einmal trinken müssten, damit sie eine Wirkung zeigen. Eine größere Gefahr stellen sie für die Tier- und Pflanzenwelt im Wasser dar, zum Beispiel für Fische. Hormone tragen zu ihrer Feminisierung bei, also zum Verschwinden der Männchen.“
„Was ist mit den Medikamentenrückständen in den Böden?“
Łukasz Weber dazu: „Das ist noch eine offene Frage. Aber wenn wir Abwasser auf den Feldern entsorgen, haben wir noch nicht mal eine Chance, es zumindest teilweise zu klären.“
Aus dem Polnischen von Magda Wlostowska
Quelle: Marcin Wójcik wyborcza.pl
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