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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Besonders der Krieg in der Ukraine verändert wesentliche Randbedingungen für die Europäische Union. Ähnlich wie die multipolaren Konflikte und Kräfteverschiebungen in der Globalisierung. Was die Fragen dringend macht: Wohin entwickelt sich die EU? Ist die gegenwärtige Struktur für zukünftige Herausforderungen angemessen? Andreas Ernst, ein Schweizer Journalist und Historiker, geht als Experte für die neuere Geschichte Südosteuropas diesen Problemen nach.
Sicher, der Wandel der Einstellungen vom "Friedensprojekt" Europa auf die militärischen Herausforderungen durch die russische Invasion in der Ukraine war letztlich schnell und klar. Mit der sogenannten "Friedensfazilität" – ein Finanzierungsinstrument außerhalb des EU-Haushaltes zur Bündelung des europäischen Krisenmanagements – ist die Union
in kurzer Zeit zu einem milliardenschweren Waffenlieferanten für die Ukraine geworden. Sie bietet sechs Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern Schutz, und sie hat sich mit einem Kraftakt von russischem Gas weitgehend unabhängig gemacht.
Aber die im Rahmen der Krise beschleunigte Erweiterung um sechs, vielleicht neun Staaten im Südosten und Osten Europas wird (und muss) wohl die Union noch viel grundlegender umgestalten. Ob hier der Krieg wieder als Vater aller Dinge wirkt, fragt A. Ernst.
Er hat jedenfalls dazu geführt, dass der bürokratische Regelgeber in Brüssel sich immer mehr auch als geopolitischer Akteur versteht. Putins Aggression im Februar 2022 hat aus weitgehend unbekannten und entfernten Nachbarn, der Ukraine und der Moldau, in nur vier Monaten Beitrittskandidaten gemacht – und selbst dem südkaukasischen Georgien die Einbindung in Aussicht gestellt. Auch dem eingeschlafenen Erweiterungsprozess auf dem westlichen Balkan haucht die EU wieder Leben ein. Die Region gilt – via Serbien – als mögliches Einfallstor für russische Störmanöver. Die Integration soll dieses ein für alle Mal schliessen.
Mit Deutschland vollzieht auch Frankreich eine strategische "Zeitenwende". Hieß die Strategie in Paris bislang "Vertiefung, nicht Erweiterung", spricht Präsident Emmanuel Macron jetzt von der doppelten Osterweiterung, die der EU und der Nato.
Die Frage ist aber, wie und mit welchen Methoden/Strukturen das funktionieren kann.
Was gewiss nicht funktioniert, ist die bisherige Methode: ein Jahre und Jahrzehnte dauerndes diplomatisch-bürokratisches Exerzitium, bei dem der Reihe nach Verhandlungskapitel geöffnet und wieder geschlossen werden. Der Kandidat übernimmt so schrittweise den gesamten «acquis communautaire» und muss sich am Ende als Demokratie mit unabhängiger Justiz und funktionierender Marktwirtschaft ausweisen.
Dieser Weg hat schon früher viele Staaten überfordert und nicht zuletzt zu den bekannten Streits zwischen den Mitgliedern der Union geführt. Ökonomisch würde schon der Beitritt der Ukraine die EU völlig verändern.
Wegen der wirtschaftlichen Rückständigkeit des Landes und seiner riesigen Landwirtschaft gingen nach jetzigen Regeln sämtliche Milliarden aus Agrarhilfe und Kohäsionsfonds an die Ukraine. Alle heutigen Nettobezüger würden zu Nettozahlern.
So mehren sich die Stimmen, die feststellen, dass die Union nicht als "Superstaat" mit einem Zentrum und mehr Hierarchie und Bürokratie funktionieren kann. Der auch im Artikel zitierte Jan Zielonka, Professor für Europäische Politik und Ralf Dahrendorf Fellow an der Oxford University, stellt dazu in seinem Buch "Konterrevolution" die richtigen Fragen:
Wie lassen sich Staaten, Städte, Regionen und internationale Organisationen dazu bringen, in einer Umgebung ständig wachsender wechselseitiger Abhängigkeit besser zu funktionieren? Wie kann man Transparenz, Verantwortlichkeit und Gouvernmentalität in einem Europa mit unscharfen Grenzen stärken?
Von stärkerer Subsidiarität spricht man nach meinem Eindruck in Europa ja kaum noch. Eine radikale Antwort auf die Fragen gab Jan Zielonka schon in seinem Buch "Europe as Empire: The Nature of the Enlarged European Union".
Seine begründete Vermutung, dass dominierende Modell der europäischen Integration – also die Annahme einer differenzierten europäischen Verfassung mit komplexen Regelwerk, die Gründung einer gemeinsamen europäischen Armee und/oder die Einführung eines einheitlichen europäischen Sozialmodells – beruht auf falschen theoretischen Annahmen. Es gäbe effektivere und legitimere Wege, Europa zu gestalten und zu regieren. Er versucht in seinem Buch zu zeigen,
dass die erweiterte EU eher einem neomittelalterlichen Imperium als einem klassischen westfälische (Bundes-)Staatstypus ähnelt. In der erweiterten Union wird es wahrscheinlich zu einer gegenseitigen Durchdringung verschiedener Arten von politischen Einheiten kommen, die in einem System ohne ein klares Machtzentrum und ohne eine klare Hierarchie agieren. Die sozioökonomischen Diskrepanzen werden voraussichtlich kein einheitliches Muster aufweisen. Die erweiterte EU wird wahrscheinlich weiche fließende Grenzen statt harter und fester Außengrenzen haben. Multilevel- und multizentrisches Regieren in konzentrischen Kreisen wird die Norm sein. Die gesamteuropäische Identität wird verschwommen und zerbrechlich sein, und es wird keinen wirklich europäischen Demos geben.
Die EU wird also nicht – wie oft befürchtet – ein westliches Imperium wie England oder die USA. Das mehrstufige Governance-System aus konzentrischen Kreisen und unscharfen Grenzen mit weichen Formen der externen Machtprojektion ähnelt dem System mittelalterlicher Imperien vor dem Aufstieg der Nationalstaaten.
Nicht als Vorbild, eher als Inspiration verweist Zielonka auf das Heilige Römische Reich (962–1806). Dieses war nie ein einheitlicher Staat, sondern ein Dach- oder eben Reichsverband für unterschiedliche Herrschaftsgebiete und Territorien. Unter anderem deshalb war es so langlebig.
Das klingt erst einmal kontraintuitiv und abschreckend. Im gewissen Sinn hat sich die EU jedoch schon länger in diese Richtung entwickelt. Sie ist, so A. Ernst, im Grunde
ein Netzwerk sich überlappender Staatengemeinschaften: der Euro-Zone, des Schengenraums, der militärischen Zusammenarbeit (Pesco), der neu gegründeten Europäischen Politischen Gemeinschaft. Daran ändert auch nichts, dass die Rollen der Kommission und des Parlaments gestärkt wurden.
Nur so können auch zukünftig so unterschiedliche Länder wie z. B. Montenegro und die Ukraine eingebunden werden. Das kann sicher nicht mit Standardkriterien und -prozeduren funktionieren. Adäquat wären individuell ausgehandelte Abkommen, die sowohl den Möglichkeiten der Kandidaten als auch den Bedürfnissen der EU entsprechen. Integration und Mitbestimmung sollten dabei schrittweise erfolgen. Während jeweils ausgehandelte Politikbereiche vergemeinschaftet werden, können andere unter nationaler Kontrolle bleiben.
Die daraus resultierende Vielfalt an Mitgliedschaften macht die EU nicht schwächer, sondern stärker. Denn sie wird handlungsfähiger. Statt dass sie sich damit begnügt, in möglichst vielen Fragen Konsens zwischen der wachsenden Zahl ihrer Mitglieder herzustellen (was meist jahrelang dauert und oft gar nicht gelingt), ergreifen einzelne Staaten, Staatengruppen oder auch die Kommission Initiativen, denen sich andere freiwillig anschliessen. So bleibt die Union in drängenden Fragen wie Verteidigung, Migration, Seuchenschutz reaktionsfähig und kann sich weiter entwickeln.Der Weg dahin ist weit und ungewiss – wie der Autor abschließend betont. Es fehlt ja in der EU nicht an Streitgründen, Bruchstellen und zentrifugalen Kräften. Zwei Fragen scheinen zentral:
Hält der Konsens der Mitgliedstaaten darüber, dass die Erweiterung richtig und notwendig ist?
Die zweite Frage ist, ob insbesondere die Führungsmächte Deutschland, Frankreich und Polen den Willen haben und in der Lage sein werden, diesen Erweiterungsprozess durchzuhalten. Die Zukunft bleibt also offen und es lohnt sich darüber zu streiten ...
Quelle: Andreas Ernst www.nzz.ch
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Ob, und mit welchen Tricks, sicher aber ohne Befragungen des Volkes, man die Ukraine uns aufzwingen will, ich bin gespannt!
Viele konstruierte Hassbilder gegen, und Ängste vor Russland, und eine USA geprägte Erzählung über die Ursachen des Ukrainekrieges werden dabei helfen.
Wenn der Untergang des Euros schneller als der Zentralismus ist, das Volk ein europäisches Selbstbewusstsein entwickelt, Fragen zu Norstream, dem Maidan 2014 selbstbewusst gestellt werden, dann können wir zu einem freien, liberalen, demokratischen Europa werden.
Ja, das sind wichtige Fragen, die die nahe und mittlere Zukunft bestimmen werden.
Der erwähnte Jan Zielonka schreibt regelmäßig zu Demokratie und Europa hier:
https://www.ipg-journa...
https://www.ipg-journa...
https://www.ipg-journa...